Bandarbeit: Mit Apps gemeinsam einen Popsong komponieren

Jürgen Grohs | 2. Juli 2016

Mann! Echt jetzt? Das ist ja voll cool!“ – So eine der Schülerreaktionen, als ich nach einer kurzen Präsentation der Apps Patterning und SoundPrism ankündige, dass ich demnächst einen Workshop zum Thema „Musizieren & Komponieren mit Apps“ anbieten werde.

Doch nicht alle Schüler sind den Errungenschaften moderner Technik zugeneigt: “Ach, nee. Ich spiele lieber einfach nur Gitarre.” zählt auch zu den Reaktionen, die ich zu hören bekomme.

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iPad & Smartphone nehmen in der Popmusik neben den traditionellen Instrumenten ihren Platz ein. / Foto: Jürgen Grohs

Seit ich im Rahmen der Zertifikatsfortbildung tAPP – Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung die beeindruckenden Möglichkeiten kennengelernt habe, die die mittlerweile zahllosen Musikapps auf dem iPad bieten, steht für mich außer Frage, dass dieser Aspekt des Musizierens nicht nur sehr nahe an der musikalischen Wirklichkeit ist, mit  der sich die meisten Kinder & Jugendlichen befassen, er bietet auch Möglichkeiten, die im herkömmlichen Instrumentalunterricht nicht ausgeschöpft werden können:

  • Da die Bedienung der Apps nur geringe motorische Fertigkeiten erfordert, haben die Schüler sozusagen Kopf & Hände frei, um sich auf den kreativen Prozess und die strukturellen Aspekte der Musik konzentrieren zu können
  • Beim Musizieren und insbesondere beim Komponieren mit Apps wird den Schülern schnell klar, dass technisches & musikalisches Hintergrundwissen hilft, zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. So kann die Sinnhaftigkeit der Musiktheorie besser dargestellt werden, was die Chance zur erfolgreichen Vermittlung  eben dieser erhöht.

Meine musikpädagogischen Ziele sollten also sein: die Vermittlung von musikalischem Basiswissen (rhythmische & harmonische Strukturen, Tonarten, Songaufbau) und die Förderung kreativer Prozesse.

Soweit meine hehren Ziele, mit denen ich antrat, um in einer nahegelegenen Musikschule mein Projekt „Komponieren mit Apps“ durchzuführen. Darüber hinaus hegte ich auch den Plan, durch die Integration digitaler Technik mit dem traditionellem Instrumentarium zur Modernisierung der Musikschularbeit beizutragen.

Nachdem ich mit der Musikschulleitung abgesprochen hatte, meinen Workshop an 3 Samstagen im Juni abzuhalten (jeweils 1,5 Stunden) und bei einem Schulkonzert am 25.6. das Ergebnis des Workshops mit den Schülern live zu präsentieren, sendete ich einen Infoflyer samt Einverständniserklärung für Bildrechte an Leitung und Kollegium, mit Bitte um Weiterleitung an die Schüler. Die benötigte Technik stellte ich aus meinem privaten Fundus zur Verfügung bzw. waren die Schüler aufgefordert, ihre eigenen Tablets und/oder Smartphones mitzubringen.

Sechs Schüler (5 Jungs und ein Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren) meldeten sich zum Workshop an.

 

Was ist „Komponieren“?

In einer Vorbesprechung diskutiere ich mit den Schülern zunächst den Begriff „Komponieren“. Im Workshop möchte ich diesen Begriff in der wortwörtlichen Bedeutung verstanden wissen: etwas zusammensetzen, zusammenstellen – ähnlich einem Koch, der zur Kreation eines Menüs verschiedene Zutaten und ein Rezept verwendet. Um dies zu veranschaulichen, sehen wir uns das Video „Roll up“ von „Walk off the earth“ an:

Ich mache die Schüler mit meinem Plan vertraut, gemeinsam einen Song zu komponieren, wobei die drei großen Säulen der Musik Rhythmus, Harmonie und Melodie unter den Beteiligten entsprechend den Rollen in einer Band aufgeteilt werden sollen. Jeder übernimmt dabei die Verantwortung für seinen Part:

  • Der Drummer programmiert verschiedene rhythmische Muster, die der Songstruktur entsprechend in Abfolge gesetzt werden
  • Der Keyboarder ersinnt sich je eine Akkordfolge für zwei Songteile, die die harmonische Basis des Songs bilden
  • Die Bassistin kreiert eine Basslinie, die mit den Akkordfolgen korrespondiert und diese mit den rhythmischen Mustern verbindet
  • Der Gitarrist komponiert zwei Melodien, passend zu den Akkordfolgen
  • Ergänzt werden kann das Ganze dann noch durch einen Klangteppich im Hintergrund, der die Atmosphäre des Songs unterstreicht

 

Interaktion und Kommunikation

Eine solche Zusammenarbeit erfordert ein hohes Maß an Interaktion und Kommunikation – und das nicht nur zwischen den beteiligten Schülern, sondern auch zwischen den technischen Geräten bzw. den Apps. Daher mache ich die Schüler mit den Funktionsweisen von „Ableton Link“ und „Audiobus“ vertraut, was einiges Staunen hervorruft. Da zwei Schüler allerdings über Android-Geräte verfügen, spielt dieser Aspekt für den weiteren Verlauf des Workshops keine Rolle mehr.

Die Einrichtung einer Whatsapp-Gruppe ist in kommunikativer Hinsicht geradezu obligatorisch. So können die Schüler sich auch außerhalb des Kurses austauschen, und der Lehrer kann leichter Informationen an alle weitergeben.

Anhand ausgewählter Apps demonstriere ich das Programmieren eines Drum-Pattern (Patterning) und Grundzüge der Harmonielehre (SoundPrism, NaviChord).

Zur Veranschaulichung des letztgenannten zeige ich den Schülern auch Ausschnitte aus dem “Four-Chord-Song von Axis of Awesome“ (https://www.youtube.com/watch?v=oOlDewpCfZQ ) und schlage vor, die Musik für unseren zu komponierenden Song nicht neu zu erfinden, sondern auf altbewährte Strukturen zurückzugreifen. Dabei unterstreiche ich die Bedeutung einer Hook-Line, die dazu dienen soll, den Song von anderen unterscheidbar zu machen und sammle mit den Schülern Beispiele für berühmte Hook-Lines: We will rock you (Drums), Another One bites the dust (Bass), Smoke on the water (Gitarre).

Wir diskutieren die Notwendigkeit eines gemeinsamen Songaufbaus. Hier bieten sich Kategorien an wie: Intro, Strophe (Verse), Bridge, Refrain (Chorus), Interlude, Outro.

Als nächstes stelle ich die verschiedenen Apps vor, die ich zur Gestaltung des neuen Songs ausgesucht habe:

APP-Liste 1Zu jeder Kategorie  versuche ich auch kostenlose Apps anzubieten, da ich den Workshop als „no-budget-Produktion“ konzipiert habe und er für alle Schüler kostenlos sein soll. Wie sich zeigt, erfordert eine solche Vorgehensweise vom Lehrer allerdings eine sehr umfassende Kenntnis der verfügbaren Apps, inklusive der Apps für Android-Geräte, was schwierig ist, wenn man selbst kein Android-Gerät besitzt.

Auf der Suche nach der passenden App_ IMG_0541

Auf der Suche nach der passenden App. / Foto: Jürgen Grohs

Zu guter letzt besprechen wir den Fahrplan für die kommenden Sitzungen: in den drei Treffen bis zur geplanten Aufführung des dann fertigen Songs sollte jeweils eine der drei Säulen Rhythmus, Harmonie und Melodie behandelt werden, wobei die Ergebnisse der einzelnen Entwicklungsphasen in die nächste übernommen werden.

 

04.06.2016   –   Rhythmus / Drumprogramming

Da ich in der Vorbesprechung angekündigt hatte, welche Apps verwendet werden, hat nun jeder Schüler eine oder mehrere der folgenden Apps auf seinem Tablet/Smartphone: Patterning, TriqTraq, RhythmPad, GarageBand bzw. Walkband (Android).

Nach einer kurzen Einführung in Aufbau und Funktionsweise eines Sequenzers sowie der Erläuterung von Taktschema, Synkopierung und rhythmischen Mustern/Pattern programmiert jeder Schüler ein oder mehrere eigene rhythmische Muster im 4/4-Takt mit Patterning oder TriqTraq  und/oder spielt ein solches mit GarageBand, Walkband oder RhythmPad.

Nachdem jeder Schüler sein individuelles Ergebnis vorgestellt hat, wählen wir ein erstelltes Muster aus, das als rhythmische Grundlage für eine Jamsession mit weiteren Apps dient: GarageBand / Walkband,  SoundPrism, Firo, Fiddlewax.

Zum Schluss demonstriere ich am Beispiel von Garageband die Funktion ‘Quantisierung‘. Eine Schülerreaktion dazu: „Cool! Sowas geht?“

Die Hausaufgabe für die nächste Phase lautet: „Findet eine Akkordfolge, die euch gefällt !“

 

11.06.2016   –   Harmonische Strukturen

Zur Erklärung grundsätzlicher harmonischer Strukturen rufe ich noch einmal das bereits gesehene Video “Axis of Awesome – 4 Four-Chord-Song“ in Erinnerung. In Anlehnung an den zur Zeit mit einer halben Milliarde Klicks bei YouTube sehr erfolgreichen Song „Stitches“ von Shawn Mendes einigen wir uns auf die Tonart A-Moll. Nun soll jeder Schüler – soweit vorhanden mit Kopfhörern bewaffnet – verschiedene Harmoniefolgen in dieser Tonart ausprobieren. Dazu werden die Apps FiddleWax, Walkband und SoundPrism verwendet.

Schließlich einigen wir uns auf die Harmoniefolge Am / C  / F  / E  / für einen 1. Teil des neuen Songs.

Mittlerweile hat sich auch herauskristallisiert, welcher Schüler welche Aufgabe mit welcher App übernehmen möchte:

APP-Liste 2Da der „Drummer“ bereits eine Abfolge mehrerer rhythmischer Pattern programmiert hat, kann eine neuerliche schon strukturiertere Jamsession auf Grundlage der besprochenen Harmoniefolge starten. Nun hat der melodieführende Schüler die Möglichkeit zu Melodie-Improvisationen mit Bebot. Die Schüler-Reaktionen über das Ergebnis sind: „entspannend“, „ruhig, fröhlich“ und „klingt gut“.

Am Ende erkläre ich die Funktionsweise von ‘Midi‘, indem ich den Klang von SoundPrism mit Fiddlewax spiele. In der darauffolgenden Woche erzählt einer der Schüler: „Das mache ich jetzt zu Hause auch immer“.

Für die letzte Phase lautet die Hausaufgabe: „Findet eine Hookline / Melodiesequenz, die euch gefällt!“

Konzentration bei der Arbeit_1_ IMG_2139

Höchste Konzentration beim Musizieren mit Apps. / Foto: Jürgen Grohs

18.06.2016   –   Melodie(n) und Atmosphäre

Zur dritten Phase habe ich ein Handout vorbereitet über „musikalische & technische Fachbegriffe“, mit denen ich die Schüler in den vergangenen Wochen bombardiert hatte und die m.E. notwendig sind, um die Funktionsweisen verschiedener Apps zu verstehen und darüber hinaus in Erinnerung rufen, welche Möglichkeiten die Appmusik bietet. Die Liste reicht von Ableton Link über Midi und Quantisierung bis zu Synkope.

Als nächstes besprechen wir die  Songstruktur anhand einer von mir erstellten Arrangement-Tabelle, in die sich jeder Schüler mit seiner Aufgabe eintragen kann. Ein Schüler hat sich bereits eine Melodie für den 1. Teil ausgedacht und während noch über den Songablauf gesprochen wird, hat der Drummer die rhythmische Struktur des Songs bereits in Patterning programmiert – bravo!

Nun wird noch die Harmoniefolge und Melodie für den 2. Teil festgelegt ( Dm / G  / Dm / E ) und die Probe einer ersten Rohfassung des neuen Songs kann beginnen.

Die aus der gemeinsamen Kompositons- und Arrangementarbeit letztenendes resultierende Songstruktur halte ich abschließend in einer Tabelle fest:

 

SONG-ARRANGEMENT_pic

Die erarbeitete Songstruktur wird tabellarisch festgehalten. Nach dieser Vorlage wird dann der Song geprobt, um ihn beim nächsten Schulkonzert live präsentieren zu können.

 

25.06.2016   –   Aufführung der Komposition

Da sich die Schüler zur Aufführung noch nicht sicher genug fühlen und zudem organisatorische Probleme auftauchen, wird die Aufführung verschoben auf den 16.7.2016. Stattdessen treffen wir uns noch einmal, um zu resümieren und reflektieren, was der Workshop an neuen Erkenntnissen gebracht hat.

Meine abschließende Frage: „Habt ihr jetzt komponieren gelernt?“, beantworten die Schüler diplomatisch: „Auf jeden Fall haben wir gelernt, wie man das Songschreiben angehen kann, wie man sowas aufzieht. Und auch wenn einer von uns nicht alles alleine kann, würden wir schon was hinkriegen, wenn wir uns zusammentun“.

Die verbleibende Zeit nutzen wir um anhand des tabellarischen Songaufbaus für die bald anstehende konzertante Live-Präsentation zu proben:

 

 

Der fertig produzierte Song ist bei Soundcloud zu hören:

 

Welche Probleme traten auf?

Wie überall lief auch beim Workshop „Komposition mit Apps“ nicht alles glatt. Hier eine Auflistung der aufgetretenen Probleme:

  • Neu gekaufte Kabel funktionierten nicht. Die Schüler vergaßen, Kopfhörer mitzubringen
  • Die Schüler-Tablets waren nicht immer vollständig zu nutzen: Akkus waren leer oder es war nicht genügend Speicherplatz vorhanden, um benötigte Apps zu laden
  • Die Durchführung des Workshops war wegen des Unterrichtsplans der Musikschule nur samstags möglich. Dies hatte zur Folge, dass die teilnehmenden Schüler nicht immer alle anwesend sein konnten; zudem konnten andere Schüler trotz großen Interesses wegen des Samstagtermins nicht teilnehmen
  • Da der Lehrer kein eigenes Android-Gerät besitzt, hat er keine Erfahrungswerte mit Android-Apps (ein Drittel der teilnehmenden Schüler hatte Android-Geräte)
  • Das Interesse und die Unterstützung des Lehrkörpers der Musikschule war eher gering
  • Die musiktheoretischen & technischen Vorkenntnisse der Schüler waren nicht sehr ausgeprägt, was umfangreiche Erklärungen notwendig machte
  • Die Kommunikation der Schüler untereinander verlief schleppend. Methoden, die zu einer besseren Gruppendynamik hätten führen können, traten hinter der Notwendigkeit zurück, Technik & Theorie erklären zu müssen. Somit gestaltete sich auch die Lehrer-Schüler-Kommunikation oftmals als klassischer Frontalunterricht. Auch die Kommunikation der Technik untereinander war problematisch: da Ableton Link nicht mit Androidgeräten kompatibel ist, konnten verschiedene Appfunktionen nicht genutzt werden.
  • Eine Teilhabegerechtigkeit beim Musizieren mit Apps kann bei einem „no budget“-Projekt nicht realisiert werden. Dies kann nur gewährleistet sein, wenn der Projektleiter alle benötigten Tablets im Vorfeld organisiert und mit den benötigten Apps präpariert. Die Durchführung des Projekts wäre damit allerdings auch einfacher und strukturierter.

 

Ergebnisse

Ausgehend von den vor Beginn des Workshops ersonnenen Zielen lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:

  • Konzentration auf den kreativen Prozess (da nur geringe motorische Fertigkeiten erforderlich)

Technische und strukturelle Aspekte dominierten das Geschehen. Das spiegelt auch den Musikproduktionsprozess der elektronischen Musik. Ich hätte mir gewünscht, noch mehr kreativ mit den Schülern komponieren zu können.

  • Vermittlung von Musiktheorie

Die Bedeutung musiktheoretischen Wissens für den Schaffensprozeß konnte aufgezeigt  werden. Leider fehlte mir die Zeit, tiefer in die Materie einzusteigen.

  • Integration digitaler Technik mit traditionellem Instrumentarium

Positiver Nebeneffekt 1: bei einem zwischenzeitlich durchgeführten Schülerkonzert eines Kollegen brachte ich mein iPad mit 3 verschiedenen Apps (NaviChord, SoundPrism, Garageband) zur Anwendung. Dabei wurde es nicht nur von mir, sondern auch von meinem sehr interessierten Kollegen und einer Schülerin bedient.

  • Modernisierung der Musikschularbeit

Positiver Nebeneffekt 2: in meiner Musikschularbeit sind iPad und Apps mittlerweile fester Bestandteil des popmusikalischen Instrumentalunterrichts nach dem Motto:

„Eine Instrument + Ein iPad = Eine Band“

Jürgen Grohs ist Gitarrist und Sänger. Er spielt & singt in diversen Bands, unterrichtet Gitarre, Ukulele & E-Bass und war Teilnehmer des Zertifikatskurses tAPP2.
Seit 2016 ist er aktiv im app2music e.V.: er leitet appmusik-Workshops und führt an Berliner Schulen Appmusik-AGs, Projekttage und sogenannte Tandems (Appmusik-Projekte als Erweiterung des regulären Musikunterrichts) durch.


3 Antworten zu “Bandarbeit: Mit Apps gemeinsam einen Popsong komponieren”

  1. Rigmar osterkamp sagt:

    Super,würde gerne bei dir an einem kompo-workshop teilnehmen,
    rigo

  2. […] Bandarbeit: Mit Apps gemeinsam einen Popsong komponieren […]

  3. Interessant. Mal was anderes als die übliche Musikschularbeit. 🙂

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