»From teaching to learning« – Musikpädagogische Konsequenzen eines Paradigmenwechsels

Marc Godau | 11. April 2016

Paradigmen wechseln! In meinen Kursen in der zweiten Phase des »Zertifikatskurses tAPP – Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung« ging ich gemeinsam mit den Teilnehmer_innen folgender Frage nach: »Wie kommt es eigentlich, dass ich argumentiere wie ich argumentiere?« Konkreter bezog sich diese auf das pädagogische Handeln in Lehr-Lern-Settings aus Perspektive als Lehrer_in, Vermittler_in oder Anleiter_in.

Die eigene pädagogische Haltung reflektieren

Ich hatte in einem ersten Schritt mit vier Beispielsituationen vorgestellt. Aufgabe war zu entscheiden, wie jede_r einzelne unter den Teilnehmer_innen mit solch einer Situation umgehen würde.

  • Eine Lernergruppe möchte einen Song spielen, den Sie als zu schwer für sie einschätzen.
  • Ein Lerner versucht eine schwierige Melodie auf dem Keyboard umzusetzen.
  • Vier Lerner_innen mit problematischem Verhalten haben sich zu einer freundschaftlichen Gruppe zusammengetan.
  • Die Schüler_innen sind nicht in der Lage, sich für eine App zu entscheiden und behaupten, dass keiner gut in Musik ist. (vgl. D´Amore 2010)

Es war keinesfalls ein Ziel, sich in der Gruppe anschließend auf die vermeintlich richtige Reaktion zu einigen oder Antworten als illegitim zu deklarieren. Dazu hatte ich bereits zu Beginn des Kurses betont, dass die Beschäftigung mitParadigmen zwar bestimmte Rollen nahelegt. Diese dürften jedoch nicht als Rezepte missverstanden werden, wie man in der Rolle als Lehrende_r korrekt handele. Diese Übung galt vielmehr der Fragestellung, wie jede_r Einzelne individuelle begründet, was sie oder er mitunter intuitiv für eine angemessene Reaktion hält.

Dieser Sensibilisierung folgte die Annäherung an verschiedene Paradigmen in der Pädagogik. Diese sollten als Folie zur Selbstverortung und -reflexion der hinter den anfangs gegebenen Antworten stehenden impliziten Vorstellungen über Lehren und Lernen dienen.

Der »shift from teaching to learning«

Seit einigen Jahren ist in den Erziehungswissenschaften die Rede vom paradigmatische Wechsel vom Lehren zum Lernen, was anfangs  für Nichtpädagog_innen mitunter als irritierend erscheint. Braucht es denn in pädagogischen Prozessen keine Lehrenden mehr? Oder soll es hier um »laissez faire« gehen? Ich habe zwei Begründungslinien für jenen paradigmatischen Wechsel angeboten.

Die erste ist das Lebenslange Lernen als gesellschaftliche Norm, in der das Individuum als „permanent unfertig“ (Bollweg 2008: 18) in Erscheinung tritt. Dies äußert sich u.a. an längeren Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten (z.B. Ganztag und Weiterbildungen wie der Zertifikatskurs tAPP) und die Forderungen, das Lernen zu Lernen und Kompetenzentwicklung fortzutreiben.

Die zweite Begründungslinie war die Unterscheidung verschiedener Lehrer_innen- und Lerner_innenrollen in unterschiedlichen epistemologischen Strömungen. Dazu hatte ich aufgrund der Beschränktheit der Zeit drei Strömungen ausgewählt: Ein behavioristisches, ein radikal-konstruktivistisches sowie ein sozial- oder auch systemisch-konstruktivistisches Lehr-Lern-Verständnis. Die Gegenüberstellung macht vor allem deutlich, wie Vorstellungen über die Rolle der Lehrer_innen, der Lerner_innen sowie Mitlerner_innen (Freunde, Mitschüler_innen etc.) differieren. Ist die oder der Musikvermittlende als Allwissende_r, Coach, Berater_in, Ermöglichet_in oder Eine_r unter vielen zu konzeptualisieren?

 

Je nachdem, wie Lehren und Lernen konzeptualisiert werden, verändern sich die Rollen von Lehrenden. Ob als Eintrichtern von Wissen, Selbstlernen oder Kokonstruktion

Je nachdem, wie Lehren und Lernen konzeptualisiert werden, verändern sich die Rollen von Lehrenden. Ob als Eintrichtern von Wissen, Selbstlernen oder Kokonstruktion

Gemeinsam haben wir die erste Situation (»Eine Lernergruppe möchte einen Song spielen, den Sie als zu schwer für sie einschätzen.«) in den einzelnen Strömungen voneinander unterscheiden. Daran anschließend diskutierten wir auch, wie jede_r einzelne sein bisheriges Handeln darin verortet, welche Lehrendenrolle individuell präferiert würde und schließlich, wie das umzusetzen sei.

 Fazit

Die angeregten Diskussionen über die unterschiedlichen Erfahrungen mit Rollen in Lehr-Lern-Settings zeigten, wie relevant ein solcher Austausch ist. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die eigenen Praxisprojekte wichtig, die von allen Teilnehmer_innen derzeit geplant und bald schon realisiert werden. Hiermit bedanke ich mich nochmals für die anregenden Unterhaltungen.

Hier der Link zur vollständigen Präsentation.

 

Literatur

Arnold, Rolf/ Arnold-Haecky, Beatrice (2009): Der Eid des Sisyphos. Eine Einführung in die Systemische Pädagogik, Hohengehren: Schneider

Bollweg, Petra (2008): Lernen zwischen Formalität und Informalität. Zur Deformalisierung von Bildung. Wiesbaden: Springer

D´Amore, Abigail (Hrsg.) (2010): Musical Futures. An approach to teaching and learning – RESOURCE PACK: 2ND EDITION, London

Evelein, Frits (2012): Interaktion, Kreativität und Autonomie. Eine Herausforderung für zeitgemäßen Musikunterricht. In Papst-Krueger, Michael/ Terhag, Jürgen (Hrsg.): Musikunterricht heute 9. Musizieren mit Schulklassen. Praxis – Konzepte – Perspektiven. Oldershausen: Lugert, S.164–176.

Faulstich, Peter (2013): Menschliches Lernen. Eine kritisch-pragmatistische Lerntheorie. Bielefeld: Transcript

Scharf, Henning (2007): Konstruktivistisches Denken für Musikpädagogisches Handeln. Musikpädagogische Perspektiven vor dem Hintergrund der Postmoderne- und der Konstruktivismusdiskussion. Aachen: Schaker

Siedenburg, Ilka/ Nolte, Eva (2015): Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur. Popvermittlung in der Musikschule. In: Ahlers, Michael (Hrsg.): Popmusik-Vermittlung. Zwischen Schule, Universität und Beruf. Theorie und Praxis der Musikvermittlung Band 14, Berlin: LIT Verlag, S.221–236

Terhart, Ewald (2002): Konstruktivismus und Unterricht. Eine Auseinandersetzung mit theoretischen Hintergründen, Ausprägungsformen und Problemen konstruktivistischer Didaktik, 2.Aufl., Bönen: Verl. für Schule und Weiterbildung

 

Bilder:

Nürnberger Trichter: http://www.ulo-comics.de/schule/up/load/Nuernberger%20Trichter%20neu%20Land%20aktuell_1360259698.jpg (Stand: 10.04.2016)

Sich-Selbst-Malender: http://www.emok.tv/wp-content/gallery/emok-picdump-188/thumbs/thumbs_EMOK%20Picdump%20188_084.jpg (Stand: 10.04.2016)

2 Gehirne: http://1.bp.blogspot.com/-n6cqMJln670/VdjnNksZWfI/AAAAAAAARUc/M2HMzs5S_bk/s1600/iu.jpeg (Stand: 10.04.2016)

 

ist Musiker, Musikpädagoge sowie Workshopleiter in der Populären Musik und Appmusik. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Künste Berlin.


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