Musizieren im Mehrspurprojekt

v.schmitt | 24. Februar 2017

Wie können Kinder auf einem iPad Musikstücke erstellen?
Im Rahmen eines Praxisprojekts für die Forschungsstelle tApp Music der Universität der Künste Berlin/Wolfenbüttel habe ich einen dreiteiligen Kurs mit Kindern durchgeführt, der sich dieser Frage nähern sollte.

 

Projektidee

Basierend auf der Vorgabe drei Einheiten à 90 Minuten durchzuführen, gab es früh die Überlegung mit einer oder mehreren Apps zu arbeiten, die ein möglichst vielseitiges Spektrum an Klängen und Funktionen bieten. Apps, in denen es wenig zu entdecken gibt, hätten die Kinder vermutlich nach einer gewissen Zeit gelangweilt. Dies war zumindest ein Erfahrungswert aus einer Doppelstunde an der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg. Zwar waren die meisten Kinder dort sehr interessiert und aufmerksam (und das, obwohl es angeblich eine Klasse mit vielen „Problemkindern“ war), aber letztendlich konnten wir die 90 Minuten nur dank ein paar gut improvisierter Ausführungen eines Kollegen ausfüllen.

So entstand die Projektidee „Musizieren im Mehrspurprojekt“ mit Kindern in einer klassischen DAW.

 

Apps

Nach einiger Überlegung habe ich mich für die App „GarageBand“ entschieden, da diese eine für iOS Apps sehr breite Auswahl an Softwareinstrumenten bietet. Darüber hinaus ist „GarageBand“ verhältnismäßig einfach zu bedienen. Alternativ hätte man eventuell „Cubasis“ verwenden können, da hier noch einige Funktionen mehr geboten werden.
Zusätzlich standen noch einige weitere Musikapps zur Verfügung, falls „GarageBand“ den Kindern auf den Keks gehen sollte oder falls sie etwas Abwechslung brauchen sollten.

 

Ziele

Die Schüler sollten die Klänge aus „GarageBand“ durch Ausprobieren entdecken und daraus dann im Team ein oder mehrere Musikstücke kreieren.
Dabei sollte ein spielerischer Einblick in Arbeitsschritte wie Recording, Mixing und Sequencing erfolgen, wie sie sowohl in Tonstudios als auch bei Musikern und Bedroom Producern Alltag sind.
Generell sollten Kreativität und musikalisches Verständnis angeregt werden.

 

Methoden

Die wichtigste Maßnahme in diesem Projekt war es, dem kreativen Entdeckungsdrang der Kinder so weit wie möglich freien Raum zu lassen. Die Vorteile dieser Unterrichtsweise wurden während unserer Seminare bei tApp Music durch den Dozenten Karlheinz Pape und durch einen sehr anschaulichen Ausschnitt einer Videoaufzeichnung einer Unterrichtsstunde, der uns von dem Dozenten Matthias Krebs gezeigt wurde, nochmals deutlich: In diesem Videoausschnitt gab es zwei Tische mit Kindern. An Tisch eins haben Kinder in Abwesenheit des Lehrers sehr konzentriert an iPads gearbeitet. An Tisch zwei hat ein Lehrer verzweifelt versucht die Aufmerksamkeit von Kindern zu erlangen.
Neben den kreativen Freiräumen war die flexible Rücksichtnahme auf die Wünsche der Kinder und die Anpassung an ihren emotionalen Zustand und ihre Lernausgangslage essenziell. Darüber hinaus sollten die Ergebnisse durch Teamarbeit erzielt werden.

 

Mögliche Probleme

Die genauen musikalischen Vorkenntnisse der Kinder waren im Vorhinein nicht bekannt. Wenn die ersten Versuche Musik zu machen, fast ausschließlich über eine Touch Oberfläche erfolgen, könnte man das eventuell kritisch betrachten. Ebenso könnte der Zeitraum von dreimal 90 Minuten vielleicht doch arg lang sein.

 

Durchführung

Erste Phase

Nach einigen Telefonaten wurden kurz nach dem Jahreswechsel 2016/2017 Termine für Unterrichtseinheiten mit Kindern mit unterschiedlichen musikalischen Vorkenntnissen im Alter von ca. 10 Jahren organisiert.
Die Kinder sind wie verabredet in den uns zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten erschienen. Um nicht auf den Klang von iPad Lautsprechern angewiesen zu sein, stellte ich ein PC Lautsprechersystem mit Subwoofer auf. Für einen lockeren Einstieg habe ich spontan entschieden, nicht sofort mit „GarageBand“ zu beginnen, sondern die Kinder zunächst selbst Klänge sammeln zu lassen, um diese für ein wenig perkussive Spielerei nutzen zu können. Hierfür bietet die App „Keezy“ einen sehr intuitiven GUI. Die Kinder haben unter anderem einen sich drehenden Lichtschalter, klingende Gläser und umfallende hölzerne Zahnstocher aufgenommen.
Als nächstes habe ich ihnen „GarageBand“ erklärt, wobei ich zur Demonstration einen Beat von mir verwendet habe. Ich hatte Sorge, dass ein verhältnismäßig weit fortgeschrittenes Projekt von mir die Kinder bei ihren ersten Gehversuchen in „GarageBand“ entmutigen würde. Aber ich habe mich entschieden dieses Risiko einzugehen. Zwar waren die Kinder sehr interessiert an diesem Beispielprojekt, aber sie haben auch schnell gemerkt, dass es nur ein verhältnismäßig kurzer Loop war.
Danach sollten die Kinder selbst Hand an „Grarage Band“ legen. Nach einigem Probieren wurden zwei Spuren „Hip Hop Drum Machine“ eingespielt. Diese erinnert an die MPC Serie von AKAI, welche in der Geschichte des Hip Hop zu den charakteristischsten Instrumenten gehört. Nach weiterer Suche nach neuen Klängen wurde schließlich eine Auswahl an Streichern mit der Bezeichnung „Cinematic“ eingespielt. „GarageBand“ bietet sehr ansehnliche Umsetzungen für die Instrumente auf dem GUI. So kann man die Saiten von Geigen „streichen“, in dem man mit dem Finger über einen Ton streicht oder „zupfen“, in dem man auf den Ton drückt.

Der Streicher GUI der iOS Version von „Garage Band“ erlaubt es Töne zu zupfen und zu streichen. Einer der Schüler war davon so angeregt dass er jetzt echte Geige lernen will. (Screenshot: Valentin Schmitt)

Der Streicher GUI der iOS Version von „GarageBand“ erlaubt es Töne zu zupfen und zu streichen. Einer der Schüler war davon so angeregt, dass er jetzt echte Geige lernen will. (Screenshot: Valentin Schmitt)

Bei der Erkundung der Instrumente waren die Kinder sehr kritisch. Oft kamen Kommentare wie „zu hektisch“ oder „zu hippiemäßig“. Auch wenn „GarageBand“ für eine App sehr viele Klänge bietet, wollten die Kinder doch irgendwann mehr.

 

Zweite Phase

In der zweiten Einheit habe ich die Kinder für einen kleineren Zeitraum mit dem „Waldorf Nave Synthesizer“ und mit der App „Modular“ spielen lassen. Danach konnten sie wieder mit frischer Energie ans „GarageBand“-Projekt gehen. Dies ist bei hauptberuflichen Musikern ja oft genauso. Damit die Kinder nicht so viel mit der Technik von „GarageBand“ zu tun hatten und sich mehr auf die Musik konzentrieren konnten, habe ich einige Bedienungsschritte selbst durchgeführt. Dies war aber irgendwann kaum noch nötig, da die Kinder durch Beobachtung fast die ganze Bedienung von „Garage Band“ verstanden hatten.

 

Dritte Phase

In der dritten Einheit wurden die Stimmen aber doch laut ein neues Lied zu machen. Diesmal haben die Kinder die Arpeggios und die Percussion-Automatiken entdeckt, sodass die ersten beiden Spuren nicht von Hand eingespielt wurden. Als nächste Spur wurde wieder ein Synthesizer („Arcade Synth“) von Hand eingespielt. Mittlerweile war es jedoch so, dass jeder Klang von „GarageBand“ mehrmals ausprobiert war und die Kinder auf der Suche nach etwas Neuem waren. Einer hatte die App „Instant Buttons“ auf seinem Smartphone, mit der Geräusche und Melodien abgespielt werden können. So haben die Kinder einen Samplertrack in „GarageBand“ erstellt und aus dem Smartphone-Lautsprecher Sounds aus „Instant Buttons“ aufgenommen. Am Ende haben sie jedoch lieber fallende Zahnstocher genommen und gesampelt.
Da eines der Kinder einen langen Schultag hinter sich hatte, ließ die Ausdauer trotz großem Engagement allmählich nach, sodass wir auf ein Ende hingearbeitet haben.
Zum Schluss haben wir nochmal die beiden Lieder gehört und auf Wunsch der Kinder die ein oder andere Spur gemutet. Es kam auch der Wunsch auf, beide Stücke nochmal von mir optimieren zu lassen, was ich aber nicht gemacht habe. Der Ehrgeiz der Kinder soll ja erhalten bleiben und zu musikalischen Weiterentwicklungen anspornen.

 

Fazit

Die Kinder haben im Team zwei Lieder produziert. Die Klänge dafür haben sie selbstständig aus dem Arsenal von „GarageBand“ gesucht und aus der Umgebung aufgenommen. Dabei waren sie sehr kreativ und haben einen Einblick in Sequencing-, Recording- und Mixingprozesse bekommen. Somit wurden alle Ziele erreicht. Sowohl von meiner Beobachtung als auch von der Rückmeldung der Kinder her waren die Unterrichtseinheiten ein voller Erfolg. Selbst einige Tage danach wurde seitens der Eltern ausgerichtet, dass die Kinder sehr begeistert waren. Die Kinder haben sich gut untereinander abgewechselt und hatten viel Freude an der Entdeckung und der Verarbeitung der Klänge. Der Entdeckungsdrang war so stark, dass die Klänge von „GarageBand“ fast nicht ausreichten und die Kinder von sich aus eigene Klänge aufgenommen haben. Eines der Kinder möchte jetzt sogar anfangen Geige zu lernen, da es die „GarageBand“-Streicher so schön fand. Die Kinder waren von den Projekten so begeistert, dass sie die Musikprojekte gleich mit ihren Smartphones aufgenommen haben, um sie so schnell wie möglich ihren Eltern zeigen zu können. Sie wollten auch unbedingt mein Beispielprojekt aufnehmen.

Einen Synthesizer, der einen recht monotonen Ton spielt, wollte ich durch ein bisschen Filterbewegung noch veredeln. Aber leider gab es in der doch extrem reduzierten Nachbildung des Minimoogs keinen LFO und „GarageBand“ ist anscheinend nicht in der Lage Parameter-Automationen aufzuzeichnen.

Die MiniMoog Immitaitoin in „GarageBand“ ist doch etwas stark Reduziert. (Screenshot:Valentin Schmitt)

Die Minimoog Imitation in „GarageBand“ ist doch etwas stark reduziert. (Screenshot: Valentin Schmitt)

Obwohl die Bedienung von „GarageBand“ an sich kein Primärziel war, haben die Kinder es sehr schnell gelernt. Die Idee, einige zusätzliche Apps für die Abwechslung mitzunehmen, hat sich als gute Entscheidung herausgestellt. Trotzdem können dreimal 90 Minuten sehr lang sein. Ebenso sollte ich in Zukunft noch MIDI-Eingabegeräte (z.B. Keyboard, Percussion Pads) bereitstellen, damit die Erfahrungen nicht nur über die Touch-Eingabe stattfinden. Als ich von einer Mutter nach dem Namen von „GarageBand“ gefragt wurde, kam ein Nachteil der Apple Philosophie auf. Wie viele iOS Apps und Apple Programme gibt es „GarageBand“ nur für iOS und MAC OS. Das heißt, man benötigt zwingend Apple Hardware, um die Software laufen zu lassen, sofern man nicht die Zeit und Energie aufbringen will MAC OS mit Hilfe der OSx86/Hackintosh Projekte auf einer anderen Hardware zu installieren. Ich hoffe, dass das Fehlen von iPads und Apple Computern in den Elternhäusern der Kinder diese nicht daran hindert sich weiterhin mit Musikapps zu beschäftigen.

Als ich mal gefragt habe „Was macht ihr so im Musikunterricht?“ hat einer geantwortet mit „Wir singen „Stimme“. Da waren meine Unterrichtseinheiten vermutlich um einiges kreativer.

Zumindest in den Schulen, die ich als Schüler besucht habe, ließ der Musikunterricht aus meiner Sicht sehr zu wünschen übrig, da die Inhalte kaum über das Spielen von Orff Instrumenten oder Nachsingen von Musikstücken aus Barock, Klassik und Romantik und Chartmusik hinaus gingen. Musikprogramme für mobile Hardware bieten doch sehr gute ergänzende Möglichkeiten, Musik als Schulfach und als Freizeitbeschäftigung für Kinder interessanter, vielfältiger und vor allen Dingen kreativer zu gestalten.

Valentin Schmitt


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