Soundscape unserer Schule – Über einen Workshop zur Klanggestaltung an der Wenigenjenaer Gemeinschaftsschule

Heiko Lochas | 10. März 2017

An der Wahrnehmung unserer Umwelt sind wir mit vielen unserer fünf Sinne beteiligt, meist dominiert jedoch stark unser Sehsinn. In dem vorzustellenden Workshop sollte das Geschehen, das Umfeld, die Atmosphäre, kurz: die ‘Welt’ einer Schule vorrangig mit den Ohren von den Schülerinnen und Schülern wahrgenommen und elektronisch eingefangen für andere (und sich selbst neu) erlebbar gemacht werden.

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Foto: Sandra Werner (post@sandrawerner.info)

Die ‘Wenigenjenaer Gemeinschaftsschule’ (WGS) am alten Standort in Jena-Lobeda (gms-ost.jena.de)

(Kleine Preisfrage: Wo steckt die Schule?)

 

Ein Umzug steht bevor – und was nehmen wir mit?

Ausgangspunkt der Überlegungen zum Workshop in der betreffenden Schule war die besondere Situation, daß an einem anderen, ziemlich weit entfernten Standort die Errichtung eines neuen Gebäudes im Gange ist, in das die gesamte ‘Besatzung’ aus Lehrer-Kollegium und Schülern in einiger Zeit einziehen wird. Da das alte Schulgelände durchaus auch Reize zu bieten hat, besonders durch seinen großzügigen Außenbereich mit altem Baumbestand und ausgedehnten wilden Gebüschen, Spielgeräten, Sportflächen und dgl., stellte sich die Frage, ob man nicht einiges von der ‘Atmosphäre der alten Schule’ mitnehmen könnte an den neuen Standort. Und dies nicht (nur) auf dem üblichen Wege einer Sammlung (stummer) Photos, sondern im Gegenteil als für die Ohren gedachtes ‘Souvenir’, mit dem das neue Haus ausgestaltet werden könnte, evtl. in Form einer Klanginstallation auf einem der Flure, oder auch schlicht als Hörstücke für das Schularchiv oder den Musikunterricht dort.

Da an der ‘Wenigenjenaer Gemeinschaftsschule’ (WGS) die SchülerInnen ungewöhnlich weitgehende demokratische Mitbestimmungsrechte an der Gestaltung des neuen Hauses wahrnehmen, andererseits aber auch in die Umsetzung der Ideen so weit wie möglich einbezogen sind, bedarf ein solches nachhaltiges, klangliches Vorhaben natürlich, außer der Überzeugung der Lehrer, auch einer grundlegenden Motivation in der Schülerschaft, die bei einem wenig bekannten Thema dieser Art sich verständlicherweise erst in einer konkreten Auseinandersetzung entwickeln kann. Der zu haltende Workshop sollte also zunächst die ersten Schritte auf dem Weg einer Annäherung an das Thema künstlerisch gestalteter Klangumgebungen gemeinsam mit den SchülerInneN gehen und aufzeigen, inwieweit bei einigen vielleicht ein tiefergehendes Interesse geweckt werden konnte, weiter kreativ an diesem Thema zu arbeiten.

 

Ein realistisches Tagesziel, und Der Plan

Mit dem Klassenleiter einer 7.Klasse der WGS, Herrn Martin Spantzel, besprach ich in einigen Vorbereitungstreffen oben genannte Projektidee, und wie angesichts des beschränkten Zeitumfangs von 270 Minuten die ersten Schritte in Richtung auf das zu erobernde Terrain ein klares, abschließendes Zwischenresultat mit (hoffentlich) deutlich spürbarem Erfolgserlebnis erhalten könnten.

Unter verschiedenen Varianten vereinbarten wir zunächst eine Art ‘Klang-Rallye’, bei der die Kinder einen Zuhörer anhand akustischer Geräusch-Hinweise auf einem selbst bestimmten Kurs durch ihr Schulgelände führen sollten – was zum nächsten ‘Tag der offenen Tür’ der Schule als Angebot für die Besucher tatsächlich in Form eines Ratespiels zum Einsatz gebracht werden könnte.

Weiterhin sollte für die stark musikalisch interessierten Kinder die Möglichkeit gegeben sein, auch tonale und rhythmische Strukturen mit den gesammelten Klängen in Beziehung zu setzen und einen Schul-Atmo-Song daraus zu gestalten.

 

Gegebenes + Gesuchtes

Die konkreteren Umstände des Workshops stellten sich schließlich wie folgt dar:

TeilnehmerInnen würden sein

24 SchülerInnen einer 7.Klasse

+ 1 Lehrer

+ 1 Schulbegleiterin (eines Schülers mit Unterstützungsbed. wg. Verhaltensauffälligkeiten)

+ 1 Sozialarbeiter (der Schule)

Die WGS ist eine staatliche Schule, die demzufolge kein Schulgeld erhebt und aufgrund der staatlich gelenkten Zuweisung der Schulplätze in der Zusammensetzung der Klassen der ganzen Bandbreite der ansässigen Bevölkerung entspricht.

Das Lehrerkollegium hingegen besteht im Kern aus PädagogeInneN, die als Gleichgesinnte die Schule selbst ausdrücklich dazu gegründet haben, alternative Formen der Unterrichtsgestaltung und des Lernens im Schulalltag zu erforschen und umzusetzen, auch unter Einsatz elektronischer Medien. http://gms-ost.jena.de/gruendung-und-konzept.html

Der Sozialarbeiter wurde einbezogen, um den Schülern zum Aufnehmen von Klängen ein Verlassen des Schulgebäudes in noch kleineren Gruppen zu ermöglichen, ohne die Aufsichtspflicht zu verletzen.

 

Als Zeitraum diente einer der sog. ‚Praxis – und Projekttage‘, die an dieser Schule gewöhnlich wöchentlich donnerstags stattfinden. Die zur Verfügung stehende Zeit erstreckte sich von 8:30Uhr bis 14:00Uhr.

Die genannten Donnerstage haben die Besonderheit, daß für sie in Absprache zwischen SchülerInneN und Klassenlehrer ein gemeinsames Lern-, Arbeits- oder Erkundungs-Thema weitgehend frei nach momentanem Interesse gewählt werden kann.

 

Als Räumlichkeit stand das Klassenzimmer der Klasse für die Durchführung zur Verfügung, sowie ein Vorbereitungsraum zum Abstellen zeitweilig nicht benötigter Gegenstände.

 

An benötigter Technik fanden sich in der Schule

  • 14 iPads für 24 SchülerInnen zuzüglich der Erwachsenen,

Geplante Aufteilung:

→ 2 SchülerInnen / iPad

→ ein Tablet für den Lehrer und

→ ein Tablet für Sozialarbeiter und Schulbegleiterin

  • eine Beamerwand mit Zuspielmöglichkeit über Airplay zum Zeigen unterstützender Materialien sowie der Apps und ihrer Bedienung, falls erforderlich
  • eine JVC-Boombox sowie ein Laney-Aktiv-Bühnenmonitor, zum Hörbarmachen der Klänge und Präsentationen im großen Kreis

und

  • Kreidetafel, Schulbänke.

 

Außerhalb der Schule zu besorgende Technik umfasste

  • je TeilnehmerIn einen Kopfhörer,

Wer hatte, brachte einen eigenen Kopfhörer mit, zur Ergänzung meines Workshop-Fundus’.

  • je SchülerInnenpaar ein Kopfhörer-Doppeladapter,

Diese mussten wegen Passungsproblemen mit den unverwüstlichen iPad-Hüllen (Buchsen-Öffnung zu klein) von mir neu angeschafft werden.

  • diverse Kabelage für die Arbeit in größeren, z.B. 4-er Gruppen,
  • Audio-Mixer mit Kabelzeug und passenden Adaptern etc. zum Anschluß an die ‘PA’,

und

  • eine größere Anzahl verschiedener Schlegel u.ä. zur Erleichterung der Erzeugung schärferer perkussiver Geräusche (als mit den bloßen Händen möglich).
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Fotos: Sandra Werner

post@sandrawerner.info

(post@sandrawerner.info)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einige der Ausrüstungen des Workshops

 

In Hinsicht der Apps wurden zunächst ausschließlich kostenlos erhältliche verwendet, da Software-Installationen strikt lediglich durch die Medienstelle der Stadt Jena vorgenommen werden durften und bislang kein einfacher Finanzierungsweg zur Bezahlung kostenpflichtiger Apps etabliert ist. Dafür war angesichts der bisher vorrangig außermusikalischen, streng pädagogischen Nutzung der Tablets einfach noch kein Bedarf.

Die Aufbringung der Finanzmittel selbst wäre bei der relativ großen Teilnehmerzahl allerdings ein weiteres Hindernis geworden: Ca. 10€/App für zunächst nur 1 experimentellen Tag wollte der Förderverein der Schule eher nicht gleich investieren.

Angeboten wurden schließlich

  • Keezy (intuitive Sampling-App),
  • Keezy Drummer (einfacher Rhythm-Programmer)

und

  • Garage Band (grundlegende, aber ziemlich umfassende Digital Audio Workstation).
Foto: Sandra Werner (post@sandrawerner.info)

Foto: Sandra Werner (post@sandrawerner.info)

Keezy Drummer in Aktion

 

Die heiße Phase! – der Workshop

Nach einer kurzen

Begrüßung gab es eine kleine

Themeneinführung von mir, in der ich demonstrierte, wie man durch Einfangen einer akustischen Atmosphäre an einen ganz anderen Ort versetzt werden kann.

Beispiel war eine live gemixte Soundscape mit Aufnahmen von vulkanischen Quellen und blubbernden Thermalschlammlöchern. Die Schüler haben anschließend geraten, was das denn für seltsame Klänge sind, um herauszubekommen, wo sie akustisch gerade waren – gar nicht so einfach!

 

Danach ging es ans

Kennenlernen der App Keezy.

Dazu gab es zwei Runden:

erstes Ausprobieren (20 min): um zu sehen, was geht prinzipiell, und wie

erstes Nutzen (ca. 70 min): Es galt nun, klangliches Material in Schule und Schulgelände zu sammeln, das möglichst einen großen Querschnitt an Orten und Objekten repräsentiert.

Die Runde endete, indem die einzelnen Zweierteams ihre drei Lieblingsgeräusche vor den anderen präsentierten, die wiederum die Aufgabe hatten, zu erraten, woher das Geräusch stammte. Oft musste der Klangeindruck akribisch analysiert werden. Ich als OrtsUNkundiger war praktisch chancenlos!

Die Herkunftsorte der Klänge wurden nach der Auflösung in einer skizzierten Karte des Schulgeländes eingetragen, um danach gezielt an den Klang-Parcours weiterarbeiten zu können.

Foto: Sandra Werner (post@sandrawerner.info)

Foto: Sandra Werner (post@sandrawerner.info)

Das Erwachsenen-Konkurrenzteam stellt seine Geräusche vor.

 

Anschließend erfolgte die Weiterarbeit in Vierergruppen mit der

Einwahl in eins von drei angebotenen Arbeitsfeldern:

  1. ‚akustischer Parcour‘ über das Schulgelände, z.B. für Besucher am nächsten ‚Tag der Offenen Tür‘
  2. Soundscape der Schule zur Mitnahme an den neuen Schulstandort
  3. Erarbeitung eines Musikstückes vom Stil ‚Ambient‘, das die Schule klanglich und musikalisch repräsentiert

Fotos: Sandra Werner

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(post@sandrawerner.info)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Übersicht der angebotenen Arbeitsfelder und Skizze für den Klang-Parcour

 

Die Wahl aller sechs Arbeitsgruppen fiel auf

  1.     Erarbeitung eines Musikstückes vom Stil ‚Ambient‘, unter Verwendung von Geräuschen aus der Schule und ihrem Umfeld

 

Diese Wahl kam etwas überraschend für mich. Wie nun offensichtlich wurde, handelte es sich um eine sehr musikbegeisterte Klasse.

Es ging also für alle weiter mit einer

Einarbeitungsphase in die Musik-Apps (im strengen Sinne):

Keezy Drummer und Garage Band

Keezy Drummer wurde für alle sichtbar auf der Projektionswand in Grundzügen vorgestellt und dann Zeit zum Experimentieren gelassen.

Parallel dazu begannen andere bereits, Garage Band zu nutzen. Da diese Software für völlige Neulinge eine doch recht komplexe Anwendung ist, ging ich davon aus, daß bevorzugt diejenigen auf Garage Band aufbauen würden, die die App von anderer Seite im Vorfeld bereits schon recht gut kannten – und die übrigen eher bei Keezy Drummer bleiben würden.

Dies bestätigte sich jedoch nicht.

Da die Gestaltungsmöglichkeiten in Keezy Drummer bewusst recht begrenzt gehalten sind, andererseits aber auch in Garage Band eine große Menge leichter Einstiegs- und Experimentiermöglichkeiten in Form von z.B. Hunderten von Preset-Loops die Neugier weckt, entwickelte sich nach und nach ein sehr lebhaftes Kooperationsgeschehen unter den Gruppen und immer mehr von ihnen stiegen auf Garage Band um.

Nachdem ein größerer Teil der Bearbeitungszeit abgelaufen war, zeigte sich allerdings, daß aufgrund der nun vergleichsweise komplexen Handhabung des Programms die Klangresultate für die Neulinge nur relativ schwierig individuell und gezielt so zu beeinflussen waren, daß ein einheitliches, zufriedenstellendes Musikstück zusammen mit den Atmo-Geräuschen aus Keezy erreicht werden konnte.

Die Suche nach Möglichkeiten zur Milderung dieser Diskrepanz füllte mehrheitlich die übrige Zeit aus bis zur

 

Präsentation der Klangstücke!

Nach all diesen Bemühungen führten also die einzelnen Arbeitsgruppen, jeweils mit reichlich Applaus belohnt, ihr Ambient-Musikstück auf, wobei die Garage Band -Parts meist als feste Klangspur abliefen, die Keezy-Parts aber live gespielt wurden.

In einem anschließenden kurzen Gespräch wurde jeweils der Klangcharakter der vorgestellten Stücke und die Art der erzeugten Atmosphäre erörtert.

Zum Beschluß wurden die SchülerInnen noch gebeten, ihre Meinungen und Eindrücke zur Vorgehens- und Arbeitsweise dieses Praxis- und Projekttages zu äußern. Die Beschäftigung mit den Musik-Apps wurde insbesondere als positive Abwechslung hervorgehoben und von einem großen Teil eine Wiederholung in ähnlicher Form vorgeschlagen.

 

Unterm Strich

zeigte sich:

Es sind eine große Menge interessanter und sehr unterschiedlicher Geräusche aus dem Schulumfeld zusammengetragen worden, auf denen eine weitere Arbeit an einer Soundscape aufbauen könnte. Die Geräusche wurden nach dem Workshop von den iPads auf ein Sicherungsmedium übertragen und stehen nun zur Verfügung. Allerdings nimmt die Einzelmikrofon- und demzufolge also Mono-Aufnahmeweise der iPads den Klang-Atmosphären leider weitgehend ihre Räumlichkeit und beraubt sie damit eines Teils ihrer Faszination.

Der Schritt vom Musikprogramm Garage Band zurück zu den selbst aufgenommenen Geräuschen war für die meisten jungen KlangarbeiterInnen schwierig – wie ich vermute, weil sie in der begrenzten Zeit die überaus umfangreichen Möglichkeiten der App noch nicht ausreichend ausforschen konnten, um dann auch souverän damit zu agieren und eine sie ästhetisch überzeugende Synthese zu den Umgebungsklängen zu kreieren.

Allgemein ein nicht seltenes Phänomen bei der Beschäftigung mit Apps scheint zu sein, daß, allegorisch gesprochen, oft der Weg zur Schaukel am Bach über den Rummelplatz – mit Geisterbahn, Autoscooter, Riesenrad, Schießbude, Entchenangeln, Berg-und-Tal-Bahn, Zuckerwatte, Spiegelkabinett, Kettenkarussell, ###!! *!*!* ###!!!###!! #! # ## ***** # ##  !!!! *** etc. ad inf. führt. Auf diesem Rummelplatz der von Profis vorgefertigten Hochglanz-Demos bleibt so gut wie jedeR TeilnehmerIn erst mal eine längere Zeit beschäftigt und sich davon zu lösen ist schwierig. Zudem wirkt der erste Übergang zu einem tatsächlich selbst bewerkstelligten Ergebnis im Vergleich dazu bisweilen so frustrierend, daß ein solches Resultat von manchen gar nicht mehr gesucht wird – ein Moment, an dem motivierende Ermutigung erforderlich wird, und den zu erkennen nicht leicht ist.

Offensichtlich wurde in diesem Fall deutlich, wie ungünstig es sich auswirken kann, alles in einem abgeschlossenen Zeitblock machen zu müssen, da ich nur sehr eingeschränkte Reaktionsmöglichkeiten auf die real sich entwickelnde, von den Teilnehmenden geprägte Situation hatte. Z.B. hätte ich mir rückblickend am entscheidenden Zeitpunkt dieses Workshops gewünscht, ein Ambient-Musikstück parat zu haben, an dessen Beispiel gemeinsam die Grundzüge dieses Genres hätten analysiert werden können.

Insgesamt muss ich sagen, war es für mich als Organisator und Leiter wieder ein sehr inspirierender Workshop, der viel Raum für neues Nachdenken und neue Gestaltungsperspektiven eröffnet hat.

Heiko Lochas


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