Improvisation mit Musikapps in einem musiktherapeutischen Setting

nadja | 31. Dezember 2015

 in Gruppen mit Jugendlichen, die in stationärer psychotherapeutischer/psychiatrischer Behandlung sind

Ich sehe ein großes Potential darin, dass die zeitgemäße Verwendung von Musikapps in einem adäquaten Rahmen die musiktherapeutische Landschaft insgesamt bereichern kann. Bei Jugendlichen und Kindern sind das Smartphone und Tablet längst omnipräsente Begleiter im Leben. Da war die Überlegung nicht fern, einen Weg zu finden, einen sinnvollen Umgang mit diesem Medium in meine Arbeit mit einfließen zu lassen, wo ein aktives Auseinandersetzen mit diesem Medium gefördert wird, das gemeinsame leistungsfreie Improvisieren und die anschließende Reflexion der Improvisation aber weiterhin im Zentrum meiner Arbeit stünden.

Es kann sich damit die Möglichkeit ergeben, dass der vorhandene oft in Isolation verbrachte und oft zu hohe, passive Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen rein vom konsumierenden Aspekt aus hin zu einem sich fokussiertem, kreativen und produktiven beschäftigen, im nahen unmittelbaren Austausch mit anderen während des Musizierens gefördert werden kann, so dass dies möglicherweise langfristig die sinnvolle Integration von elektronischen Medien im Alltag der Jugendlichen anregen kann. Daher habe ich ein Projekt in den Herbstferien an der Klinik für seelische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter des St. Joseph Krankenhauses in Berlin Tempelhof durchgeführt, um erste Erkenntnisse zu sammeln, ob die Integration des elektronischen Musik- Mediums in meine musiktherapeutische Arbeit überhaupt möglich ist, vor allem aber sinnvoll sein kann.

Projektaufbau

Es werden die Musikapps Thumbjam, DM1, Sampletank, Chordion bzw. SoundPrism in einem musiktherapeutischen leistungsfreien, niedrigschwellig umsetzbaren, improvisatorischen Setting gemeinsam in einer Gruppe von jeweils 2-4 Jugendlichen in einem Zeitfenster von 90 Minuten gespielt. Insgesamt stehen 4 iPads zur Verfügung, wobei ich mit der Gruppe gemeinsam spiele, wenn ein iPad in der Nutzung übrig bleibt. Ein von mir entwickelter Evaluationsbogen wird von insgesamt 13 Jugendlichen anonym zu verschiedenen Phasen des Projektes ausgefüllt, der einerseits dazu dient, Erkenntnisse zu sammeln, inwieweit sich dieses konzeptionelle Projekt in meine musiktherapeutische Arbeit integrieren lässt, andererseits die Jugendlichen dabei unterstützt, sich mit den gemachten Erfahrungen auseinanderzusetzen und diese beschreiben zu können. Während der gesamten Zeit stehe ich den Jugendlichen unterstützend bei Bedarf zur Verfügung, wobei der Fokus aber darauf gelegt wird, dass die Jugendlichen möglichst selbstwirksame Erfahrungen machen können. Alle Mitspieler sitzen während der gesamten Zeit im Kreis, damit die Möglichkeit des Austausches und der Interaktion gefördert wird und um der einnehmenden Präsenz der visuellen und akustischen Reize der eigenen Arbeitsfläche auf dem iPad ein Stück weit entgegenzuwirken.

Eine Übersicht der verwendeten Musikapps mit itunes Logo der jeweiligen App. Die Apps findet man unter https://itunes.apple.com

Aneignungsphase

Alle Jugendlichen erkundigen jeweils für sich ihre vorliegende App mit Kopfhörern, wobei im Anschluss eine kurze Vorstellungsrunde der einzelnen Apps über Lautsprecher erfolgt, damit alle einen Eindruck davon bekommen, was man mit der jeweiligen App machen kann und wie diese klingt. Ein Austausch findet statt. Zudem kann jeder bereits hier erste Hörerfahrungen machen, wie jeder so klingt, was im anschließenden Spiel im Miteinander eine klangliche Zuordnung ein Stück weit erleichtert, da es in dieser Art des Musikmachens oftmals schwer ist, jemanden klanglich zu identifizieren, da alle aus dem selben Lautsprechersystem erklingen.

Die Musikapps werden im Stuhlkreis exploriert und gespielt

 

Freie Improvisation

Vor dem gemeinsamen Spiel stellt jeder Mitspieler grob seine Klänge vor, um eine klangliche Orientierung erhalten zu können, was das Interagieren im Spiel etwas erleichtert. Es wird eine gemeinsame freie Improvisation gespielt, wobei klanglich alles erlaubt ist → ein „musikalisches Überraschungsei“ entsteht! Die Improvisation wird aufgenommen und wenn es die Zeit zulässt, noch einmal angehört und dann gemeinsam reflektiert.

Strukturierte Improvisation

Eine strukturierte Improvisation wird gemeinsam geplant, Ideen und Wünsche werden abgestimmt, z.B. wird eine Harmoniefolge erstellt, passende Skalen dazu gesucht, der Charakter der geplanten Improvisation überlegt, das Tempo und Klangästhetik oder Signalzeichen für ausgemachte Ereignisse festgelegt… Außerdem übernimmt nun jeder Mitspieler, abhängig davon, welche App gespielt wird, eine in diesem Gefüge angebrachte musikalische Aufgabe und dadurch auch eine gewisse Verantwortung. Diese Improvisation wird aber nur grob geplant und was sich klanglich darüber hinaus im Verlaufe entwickeln könnte, ist dem improvisatorischen Moment wertfrei überlassen. Anschließend wird die Improvisation wieder aufgenommen, wenn es die Zeit erlaubt, angehört und dann gemeinsam reflektiert.

Das vorbereitete Raumsetting mit Stuhlkreis für die Improvisationen mit Musik-Apps

Das vorbereitete Raumsetting mit Stuhlkreis für die Improvisationen mit Musik-Apps

Erste Erkenntnisse

Alle Jugendlichen waren während der gesamten Zeit motiviert und größtenteils fokussiert und sagten allesamt, dass diese Art des Musizierens „Spaß“ bereitet hat, wobei 2 Jugendliche langfristig doch definitiv eher „echte Instrumente“ wegen des haptischen Gefühls vorziehen würden. Die meisten würden gerne mal sowohl ein „echtes Instrument“ als auch eine Musik- App spielen. 1 Jugendlicher/Jugendliche äußerte, dass er/sie das Improvisieren an einer Musik-App dem Spiel an einem „echten Instrument“ definitiv vorziehen würde. Das Spielen mit den verwendeten Musikapps ist 77 % aller Jugendlichen „leicht gefallen“, für 23 % gestaltete sich der Zugang zu dieser Art des Musizierens als „ok“, wobei niemand sich überfordert fühlte und angab, dass dies schwer gefallen sei. Interessant ist, dass es den meisten im Befinden im Vergleich zu vor der Stunde, danach besser ging, bzw. dass nachvollziehbarere Angaben vom therapeutischen Betrachtungswinkel zum Befinden nach der Stunde gemacht werden konnten. Nur bei 2 Jugendlichen hatte sich im Befinden nichts verändert.

13 Jugendliche gaben anhand einer Emoticonskala ihr Befinden vor und nach dem Projekt an

13 Jugendliche gaben anhand einer Emoticonskala ihr Befinden vor und nach dem Projekt an

Insgesamt sind für alle Jugendlichen Klänge entstanden, die ihnen gefielen. Bemerkenswert war, dass sich insgesamt die meisten durchweg während des Improvisierens sicher gefühlt haben und beim näheren Nachfragen öfters gesagt wurde, dass „man sich keine Gedanken gemacht hat, dass etwas falsch ist“. Anscheinend wurde der eigene Leistungsanspruch anders bewertet als beim Improvisieren mit „echten“ Instrumenten, da ich ansonsten oft sehr unterschiedliche Rückmeldungen dazu bekomme. Woran dies genau liegen könnte ist eine Frage, der man in Zukunft genauer auf den Grund gehen könnte. Ebenso war es interessant, dass es schien, dass sich der emotionale Zugang zur gespielten Improvisation bei den meisten Jugendlichen erst beim Anhören der Improvisationen eröffnete. Erst hier wurden zum Beispiel die meisten Bilder oder Stimmungen zur Improvisation beschrieben und auch Titel für die Improvisationen in der Gruppe entwickelt. Für meine Rolle als Musiktherapeutin war vor allem die Erkenntnis da, dass ich in einem etwas größeren Maße als sonst darauf achten musste, dass es allen „gut“ ging. Immer wieder wirkten viele Jugendliche angespannt oder in der Aufnahmefähigkeit eingeschränkt und bestätigten dies dann auch, wenn ich nachfragte, was über kurze Trinkpausen oder kurze Entspannungseinheiten und „Lüften“ , dort konsequent ohne iPads im Gebrauch, ohne weiteres aber aufgefangen werden konnte. Das war unter anderem aber sicherlich auch von der Dichte der unterschiedlichen Phasen des Projektes abhängig. Schön war es zu sehen, dass die Jugendlichen insgesamt wenig Unterstützung in diesem Medium von mir benötigten, wenn dann zumeist auf der technischen Ebene. Ansonsten konnten sie sich eigenständig die Apps im Gebrauch aneignen und individuelle kreative Ideen entwickeln und hatten definitiv selbstwirksame Erfahrungsmomente.

Fazit und Zukunftsmusik

Insgesamt eignen sich meines Erachtens Musikapps im Einsatz als Instrument in meinem Arbeitsfeld, wobei ich in der Umsetzung in Zukunft hauptsächlich sowohl das Improvisieren mit iPads als auch mit „echten“ Instrumenten gleichzeitig einplanen würde, wenn es der Rahmen zulässt. Dabei ist es aber auch in Zukunft unabdingbar, sich detailliert Gedanken zur therapeutischen Arbeitsweise mit diesem Medium zu machen, welche wesentlichen Faktoren es zu beachten gilt, damit ein solches Vorhaben gelingt. Andererseits habe ich aber hierbei die Möglichkeit entdeckt, dass ich flexibel in der Raumnutzung bin, da ich ohne weiteres ein paar iPads, Kabel und einen Lautsprecher in jedem Raum ohne größeren Aufwand schnell installieren kann und so nicht nur räumlich an den „Musiktherapieraum“ gebunden wäre, ohne großartig Instrumente „schleppen“ zu müssen. Allerdings würde ich die Anzahl der iPads maximal auf 5, wahrscheinlich eher auf 4 beschränken, da es ansonsten wirklich schwierig wird, die einzelnen „Instrumente“ zu identifizieren, wenn alle aus derselben Klangquelle erklingen. Darüber hinaus ergeben sich viele Nutzungsmöglichkeiten, sowohl musikalisch bedingt als auch fachübergreifend, wo man das iPad therapeutisch z.B. auch durchaus interdisziplinär in Projekten nutzen könnte.

 


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