Klangforschungs- und Kompositionsprojekte mit Musikapps

Matthias Krebs | 30. Juni 2019

Wie können Klangforschungs- und Kompositionsprojekte mit Musikapps gestaltet werden? Welche pädagogischen Ziele, welche Methoden, welche Technik können dabei eine Rolle spielen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein kurzer Impulsvortrag von Matthias Krebs, der anhand von verschiedenen Fallbeispielen und einem jüngst veröffentlichten Leitfaden (KlangGestalten), Künstler*innen und Kulturvermittler*innen sowie (Musik-)Lehrkräfte und Musikpädagog*innen an allgemeinbildenden Schulen einen Überblick zur Thematik liefern sollte.

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Klicke aufs Bild zur Ansicht. (pdf)

Die Folien, die auf der Festivalkonferenz zum Motto „Aufbruch in neue Hörwelten“ am 23. Mai 2019 im TAK Theater Berlin, zu der das Netzwerk Junge Ohren und die PwC-Stiftung eingeladen hatten, enthalten zentrale Punkte sowie Links zu Videos und Material: hier downloaden.

KlangGestalten – ein Leitfaden für ein Vermittlungsprojekt mit Medien

Das Klangforschungs- und Kompositionsprojekt „KlangGestalten“ stand zunächst im Fokus des Impulses, da zu diesem Projekt gerade eine umfangreiche Veröffentlichung (der Bertelsmann Stiftung) erschienen war (Link zum Download).

  • ‚KlangGestalten‘ ist ein Kompositions- und Klangforscherprojekt. Es bietet Kindern und Jugendlichen ein künstlerisches Experimentierlabor, in dem diese mit analogen und digitalen Medien audiovisuelle Klangcollagen gestalten: Sie sammeln mit Tablets an einem besonderen Ort, wie einem Theater oder Konzerthaus, der eigenen Schule oder dem Jugendzentrum, im Stadtteil oder im Wald, interessante Klänge in Form von Videoclips.
  • Mit diesen Clips und auf Grundlage einer selbst erfundenen Geschichte entwickeln sie in Kleingruppen mit der App ‚vidibox‘ audiovisuelle Collagen.
  • Dabei arbeiten sie wie in einem ‚Künstler-Kollektiv‘ zusammen: Sie nehmen die Rollen ‚Regisseurin‘, ‚Klangerzeugerin‘, ‚Filmerin‘ ein, finden Klänge und nehmen sie auf, stimmen kompositorische Entscheidungen ab, musizieren und improvisieren miteinander, hören sich Zwischenergebnisse von anderen Gruppen an, diskutieren Gestaltungsalternativen und präsentieren zum Abschluss ihre audiovisuelle Collage in einem Livekonzert.

Das Video vermittelt einen Eindruck von der Erprobung des Leitfadens in Hannover 2018:

Das Design des Projekts ‚KlangGestalten‘ schließt an eine Konzeption von Matthias Krebs und Marc Godau (2016) an, das seit 2017 unter dem Titel ‚Kreativ Klangsafari‘ regelmäßig im Vermittlungsprogramm der Elbphilharmonie Hamburg angeboten wird. Jüngst ist dazu auch ein Imagevideo entstanden: Facebookvideo Klangsafari

Das Konzept des Klangforschungs- und Kompositionsprojektes orientiert sich an den musikalischen Errungenschaften der ‚künstlerischen Avantgarde‘ und fußt auf einer explorativen und experimentellen Grundhaltung (z. B. QuerKlang (Brandstätter 2011), Klangradar 3000 (Friedrich 2011), meet the composer (Schlothfeldt 2011) und Klangnetze (Schneider et al. 2000)). Im Mittelpunkt bei all diesen Projekten steht das ‚Komponieren‘ als schöpferische Tätigkeit, das Erlebnisse mit Musik in eigener Aktivität ermöglicht. Das Projekt ‚KlangGestalten‘ nimmt auf diese kompositionspädagogischen Formate Bezug und integriert Ansätze aus Projekten, die die Einbeziehung digitaler Musiktechnologien erproben (z. B. ‚MOZART REIMAGINED! – Die Zauberflöte‘ (Krebs 2014) und verschiedene Klangforschungsprojekte bei app2music).

Folgende pädagogische Ziele standen im Projektfokus:

  • Orte als Klangorte erfahren
  • Wissen über Klänge künstlerisch-gestalterisch nutzen
  • Ästhetische Erfahrungen
  • Kompetent mit Technik umgehen
  • Musik mit digitalen Technologien machen
  • Ästhetische Bildungserfahrungen machen
  • Kooperation als Mehrwert erleben
  • Schnittstellen zu weiteren Kompetenzbereichen und Fächern…

Im Mittelpunkt steht dabei die Klanglichkeit eines Ortes (z.B. die eigene Schule, eine Kulturinstitution, das Jugendzentrum, der Stadtteil oder auch ein Wald) mit seinen akustischen Phänomenen, denen die Teilnehmenden in ästhetischer Einstellung begegnen. In der Gestaltungsarbeit werden im kreativen und selbstbestimmten Prozess Praktiken experimenteller Klangkunst mit clipbasierter Videokunst verbunden, wobei auch musikalische Improvisation und medienspezifische Verfremdungstechniken feste Bestandteile der Entwicklung klanglicher und visueller Darstellungsweisen sind. Neben kompositionspädagogischen Inhalten stehen im Projekt ‚KlangGestalten‘ auch der Gruppenprozess, ein sozialkompetentes Handeln und damit ein demokratisches Vorgehen im Fokus. Es werden Dreiergruppen gebildet, die sich jeweils ein Tablet teilen und im Projektverlauf als ‚Künstler*innen-Kollektiv‘ zusammenarbeiten.

Fotos der Erprobung von ‚KlangGestalten‘ von Anja Fischer und Matthias Krebs mit einer 5. Klasse in Hannover. // Fotos: Anja Fischer

Die Rolle der anleitenden Lehrkraft, wie beispielsweise der Künstler*in oder der Musik- und Medienpädagogen*in, ist dabei zu verstehen als die eines ‚Coachs‘ oder einer ‚Moderator*in‘, die bzw. der die Lernenden begleitet und Impulse anbietet. Dabei überlässt sie die Entscheidungen in der Gestaltungsarbeit weitgehend den Lernenden und respektiert ihre (alternativen) Lösungswege. Im Fokus steht die Unterstützung von Lernprozessen im ‚Künstler*innen-Kollektiv‘. Der Coach gibt auch Probleme und Herausforderungen im Umgang mit der Technik und zur Realisierung von Gestaltungsvorschlägen offen an die Gruppe weiter. So wird vermieden, dass die Lehrkraft Verantwortung für die Lösung von ästhetischen Entscheidungsfragen übernimmt. Dies macht die Projektarbeit jedoch nicht beliebig: Antworten auf die Fragen danach, was ästhetisch gelungen ist usw. werden beispielsweise von den Teilnehmenden auf Grundlage von Zwischenpräsentationen diskutiert und kommt von den Teilnehmenden hierbei selbst.

Das hier beschriebene Kompositions- und Klangforschungsprojekt ist für Kinder ab 7 Jahren konzipiert, kann aber auch auf Jugendliche und junge Erwachsene übertragen werden. Die Durchführung des Projektes ist technisch nicht besonders anspruchsvoll und kann flexibel auf verschiedene Zielgruppen und Klangorte übertragen werden. Die fertigen Produktionen der Kleingruppen können (sofern Einverständnisse vorliegen) auf einer Internetplattform veröffentlicht und mit Familie und Freunden geteilt werden.

Im Projekt wird die Musikapp ‚vidibox‘ installiert auf iPads genutzt. Alternativ lässt sich das in diesem Leitfaden beschriebene Projekt auch mit Apps wie z. B. ‚Samplebot‘ oder ‚Koala Sampler‘ umsetzen, die Soundeffekte zur Performance sowie einen Sequenzer offerieren.

„Lassen wir doch die Maschine für uns trommeln“

Das Klangforschungsprojekt „Lassen wir doch die Maschine für uns trommeln“ von Tom Simonetti bei MEHR MUSIK! in Augsburg (Ute Legner) wurde an einer Grundschule durchgeführt. Neben verschiedenen Musikapps kam prominent ein Bausatz von elektrisch gesteuerten Motoren („dadamachines“) zum Einsatz.

„In diesem Workshop kreieren die Teilnehmer ihre eigene Musik am iPad und begeben sich zugleich auf die Suche nach unterschiedlichen Gegenständen, die sie in ihre Komposition als Klangquelle integrieren können. Mit Hilfe einer Dadamachine werden die im iPad aufgenommenen Ereignisse nicht mit Klängen des Tablets wiedergegeben, sondern die Maschine überträgt die Ereignisse über Motoren auf Dinge der Umwelt und erweckt diese klanglich zum Leben. Eine spannende Kreativ-Werkstatt, welche Musik mit Physik verbindet.“ (Hierdeis 2018)

In Klangexperimenten wurden von den Kindern damit unterschiedliche Materialien und Alltagsgegenstände zum Klingen gebracht, womit eine Brücke zwischen elektronischer Musik und Klangphänomenen im physischen Raum geschlagen wurde. Mehr dazu im Blogbeitrag „Mit der Dadamachine die Schule zum schwingen bringen„.

ganz egal was kommt

In Zusammenarbeit von KLANGRADAR Berlin (netzwerk junge ohren, PwC-Stiftung) und app2music wurde das Stück „ganz egal was kommt“ von der 11. Klasse des Luise-Henriette-Gymnasiums entwickelt. Es wurde am 23.5. im Rahmen der Festivalkonferenz „Aufbruch in neue Hörwelten: Schule & Klangforschung“ im tak (Theater Aufbau Kreuzberg) aufgeführt. In der Workshoparbeit lag ein Fokus auf der Verfremdung von Klangauf-nahmen und der Auseinandersetzung mit verschiedenen Klangsyntheseformen. Darüber hinaus wurde sich auch an verschiedenen Beispielen der elektroakustischen Musik orientiert.

Eine Projektdokumentation erscheint in Kürze.

Weitere Impulse können folgende Beiträge liefern:

Fazit

Musikapps können auf unterschiedliche Weise in Klangforschungs- und Kompositionsprojekte integriert werden. Das Tablet mit der Musikapp kann bei der Klangforschung (d.h. wenn z.B. Klänge aus der Umgebung aufgenommen und dann bearbeitet werden) als ‚Lupe‘ fungieren und eine fokussierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Klangphänomenen des Klangortes ermöglichen. Die hier vorgestellten Projekte wollen Schülerinnen und Schülern auf spielerische, improvisatorische Art und Weise zu explorativer, experimenteller Gestaltungsarbeit anregen und nebenbei dabei Musikapps (als digitale Musiktechnologien) als ein Instrumentarium und Produktionstools erfahrbar machen. Ziel war es einen Raum für selbstbestimmte Lernprozesse zu öffnen, in dem sich die Schüler*innen aktiv musikalisch-ästhetische, mediengestalterische, kommunikative und kooperative Kompetenzen aneignen können.

Matthias Krebs ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Der Diplom-Musik- und Medienpädagoge arbeitet an mehreren deutschen Musikhochschulen als Lehrbeauftragter und ist mit Fortbildungsangeboten und Workshops sowohl in der Erwachsenenbildung als auch in der Kinder- und Jugendarbeit seit 2011 aktiv. Matthias Krebs leitet den Weiterbildungskurs tAPP.


2 Antworten zu “Klangforschungs- und Kompositionsprojekte mit Musikapps”

  1. Magnus van Riel sagt:

    Sehr geehrter Herr Krebs,
    danke nochmals für den Hinweis, dass die App „MadPad“ nicht mehr erhältlich ist.
    Ich bin angehender Grundschullehrer für Deutsch und Musik und setze mich in dem Medienarbeistkreis für die Anschaffung und Anwendung von iPads ein.

    In dem oben beschriebenen Projekt haben sie die App „Vidibox“ genutzt. Eine absolute Alternative zu MadPad! Die Enttäuschung folgte nach dem Kauf der App: Mikrofon und damit auch Kamera können mit den neuesten iPads (2018 6. Generation) nicht autorisiert werden. Der Hersteller antwortet nicht auf Anfragen bzw. erhalte ich eine Mail Delivery.

    Hiermit der Aufruf nach Alternativen oder Hilfe bei der Einrichtung von Vidibox, um Soundscapekompositionen und Klangerforschungen für Grundschulkinder (vor allem auch videobasiert!!!) zugänglich zu machen.

    Vielen Dank und freundliche Grüße

    Magnus van Riel

    • Lieber Herr Riel,

      mit Geräuschen lassen sich viele interessante Lernangebote gestalten, die aktives Formen von musikalischen/narrativen Abläufen und Hörschulung sowie etwa das Reflektieren über ästhetische Erfahrungen thematisieren.

      Mir ist leider auch vor einer Weile aufgefallen, dass die App vidibox auf den aktuellen iPads nicht richtig läuft. Das hat mit den Herausforderungen zu tun, die App-Entwickler*innen mit jedem Update des Betriebssystems haben: Es ändern sich Bedingungen und die Entwickler*innen sind gezwungen zu reagieren und ihre App zu aktualisieren. Die Herausforderung dabei ist laut der Entwickler*innen, dass nicht klar ist, was dann zu tun ist, wodurch die Anpassung teilweise sehr aufwändig für sie wird. Der Entwickler von vidibox hat sich bei mir aber bei anderen Nutzern gemeldet und versprochen, dass er bald ein Update veröffentlicht, in dem auch viele neue Funktionen enthalten sind. (Er ist ein absoluter Perfektionist, es kann also noch etwas dauern.)

      Aber es gibt natürlich interessante Alternativen. Einige sind in dem KlangGestalten-Konzept auch schon aufgeführt.

      Das in diesem Leitfaden „KlangGestalten“ beschriebene Projekt lässt sich auch mit Musikapps wie ‚Samplebot‘ oder ‚Koala Sampler‘ umsetzen, die Soundeffekte zur Performance sowie einen Sequenzer offerieren. Beide unterscheiden sich im Ansatz meiner Erfahrung noch einmal: Bei Samplebot kann der Fokus auf die Bearbeitung der Aufnahmen und dann auf die Komposition von Stücken gelegt werden. Bei Koala Sampler kann der Fokus auf Effekte, auf Beats und auf Live-Performance gesetzt werden. Aber bei beiden Apps lassen sich viele viele unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

      Ich finde zu beiden Apps auf YouTube hilfreiche Videos:
      Samplebot:
      * https://www.youtube.com/watch?v=kOrbmBQn97U
      * https://www.youtube.com/watch?v=WsyBH6HPX2w
      * https://www.youtube.com/watch?v=b56ABh2eEDs

      Koala:
      * https://www.youtube.com/watch?v=ZBiRVadVhkY
      * https://www.youtube.com/watch?v=RJarbWzfa5I
      * https://www.youtube.com/watch?v=i2p4qdJhRYI – full basic tutorial

      Dies ist eine kleine Auswahl.

      Liebe Grüße,
      Matthias

      PS: Ich würde mich sehr über Feedback freuen. Haben Sie sich die Apps mal angeschaut und Sie sich vorstellen, diese Apps zu verwenden? Schön wäre es auch dann Erfahrungen aus einer Erprobung geschildert zu bekommen.

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