Medienprojekt im Familienzentrum
MusikApps als Katalysator für kreative Kommunikation in Familien
Riesenstimmung. Hier ist gerade Party! Es wird gelacht und getanzt. Paartanz. Aber nicht Männer und Frauen tanzen miteinander, sondern Kinder mit ihren Müttern. Dann wechseln die Paare. Mütter tanzen miteinander. Eine von ihnen schnappt sich eine Gitarre. Die Stimmung ist ausgelassen. Wo sind wir hier? Was ist hier passiert?
Der Kleine Stern im Familienzentrum
Wir befinden uns im Familienzentrum Letteallee. Es liegt in einem der Brennpunktkieze Berlins. Neben Frauencafe und Krabbelgruppe gibt es auch einige Angebote, die sich vor allem an Familien mit migrantischen Hintergrund richten. An diesem Montagnachmittag findet „Der Kleine Stern für Große und Kleine“ statt. Diese Veranstaltung ist schon bekannt und beliebt. Über die Geschichten vom ‚Kleinen Stern‘, Theaterspiel und jede Menge Musik konnten wir in der Vergangenheit Kinder, wie Erwachsene begeistern. Aber diesmal sollte die Veranstaltung einen neuen Fokus bekommen. Der eigene kreative Ausdruck der Teilnehmer*innen sollte noch mehr in den Mittelpunkt rücken. Gemeinsam wollten wir an einem selbstgestalteten Endergebnis arbeiten, eine Theateraufführung, ein Musikstück oder ein kleiner Film.
Musikapps als neue Gestaltungsmöglichkeit
Um dieses Ergebnis zu gestalten wollten wir diesmal besondere Werkzeuge benutzen: Musikapps. Angeregt durch den Zertifikatskurs tApp der Bundesakademie für kulturelle Bildung und der UdK haben Christian Liebisch, der Entwickler der Lernumgebung des ‚Kleinen Sterns‘, und Sylvie Rühl, eine Schauspielerin und Mitarbeiterin, einen ganzen Rucksack voller kreativer Möglichkeiten in Form von Apps auf dem Tabletrechner mitgebracht.Eigentlich haben die kleinen smarten Geräte im Familienzentrum nicht so einen guten Ruf. Oft wird mehr mit dem Handy, als mit den Kindern geredet. Jetzt also ein anderer Blick auf die neue digitale Welt.
Aktiver, kreativer Umgang mit digitaler Technik
Die Idee ist, mit Hilfe dieser kleinen Computer, den spielerischen Umgang der Familienmitglieder untereinander anzuregen. Es soll Mut gemacht werden zum eigenen kreativen Ausdruck. Die Lebensfreude, die beim gemeinsamen Gestalten entsteht, soll im Mittelpunkt stehen. Lebensfreude, die dazu anregt, die Smartphones und digitale Technik kreativer als bisher zu nutzen.
Es geht auch weiterhin um das Experiment, ob MusikApps dazu dienen können den achtsamen Umgang miteinander anzuregen. Können wir uns in diesem Projekt auch ohne Worte verstehen? Welche Möglichkeiten von Sprache entdecken wir? Und gelingt es uns, mit diesen neuen Ausdrucksmitteln ein Endprodukt herzustellen, an dem wir alle erkennbar mitgewirkt haben und auf das wir alle stolz sind?
Erfahrungswerte
Um diese Ziele zu erreichen, waren bei der Planung ein paar Hürden zu beachten. Aus unseren bisherigen Projekterfahrungen wussten wir, wie schwer es ist, Konstanz und Regelmäßigkeit in die freiwilligen Veranstaltungen zu bringen. Diese ist aber notwendig, wenn am Schluss ein gemeinsames Ergebnis stehen soll. Auch war uns klar, dass es bei unseren Teilnehmer*innen Vorbehalte gegenüber ihren eigenen kreativen Fähigkeiten gibt. Deshalb haben wir uns vorgenommen, flexibel auf die Impulse der Teilnehmer*innen zu reagieren, mit eigenen Kompetenzen und Impulsen den Prozess zu unterstützen und positive Anreize zu setzen.
Arbeitsmittel und Planung
Um unser Ergebnis zu kreieren, wollten wir neben den MusikApps auf einem iPad noch einen Beamer, eine durchscheinende Leinwand für Schattentheater und die klassischen Zutaten für das Lern-Erlebnis-Programms ‚Der Kleine Stern’® einbringen. Hierzu gehören neben bekannten Songs, die Sprechpuppe vom ‚Kleinen Stern‘. Diese öffnet immer wieder die Herzen der Kinder und die bekannten Rituale bilden den verlässlichen Rahmen der Veranstaltung. Bezüglich der MusikApps wählten wir Applikationen, bei denen geometrische Figuren in der grafischen Gestaltung im Mittelpunkt standen. Für die Arbeit haben wir Patatap, VisuaMusio, Musyk, Playground, Yatatap, TC-Performer und die App iMaschine ausgesucht. Mit den Apps sollten sowohl grafischer Background auf die Leinwand gebeamt werden, wie auch Sound improvisiert werden. So konnten interessante Hintergründe für Schattentheater erzeugt und mit Musik und Geräuschen auf das Theatergeschehen reagiert werden. Geometrische Grundfiguren könnten die Basis der Charaktere unserer Geschichten bilden und so das Umfeld mit einer großen Diversität abbilden. Soweit der Plan.
Ablauf des Projekts:
Das Gewohnte
Der Start in das Projekt mit den bekannten Elementen und Ritualen des ‚Kleinen Sterns’ stellte sich sofort als sehr hilfreich heraus. Wir brauchten alle ein wenig Zeit um aufzutauen. Kreatives Arbeiten verlangt viel Vertrauen. Mit den bekannten Songs und der Handpuppe wuchs das gemeinsame Gefühl.
Das Überraschende
Dann stellten wir verschiedene MusikApps vor. Die Überraschung und der Spaß waren groß. Wir haben viel ausprobiert und Hemmungen im Umgang mit den Apps abgebaut. Rhythmus und Bewegung kamen bei Kindern und Erwachsenen sehr gut an. Während die Kinder vorbehaltlos auf das neue Medium zugingen, waren die Erwachsenen vorsichtiger. Um so schöner war es zu erleben wie beispielsweise mit der App „Playground“ sich die Erwachsenen regelrecht freispielten und so Vertrauen in ihre eigenen kreativen Möglichkeiten bekamen.
Das Misslungene
Wir brachten die Idee, geometrische Figuren als Gestaltungsmöglichkeit zu nutzen, ein. Zuerst bastelten wir Stabfiguren, malten Gesichter in Dreiecke und Kreise. Diese Figuren sollten jetzt ein Stimme und einen Charakter bekommen. Aber es stellte sich ziemlich bald heraus: Diese Idee ist eine Kopfgeburt. Wir konnten die Figuren nicht mit Leben füllen. Es entstanden keine lebendigen Spielsituationen.
Neue Wege
Als kleines Improvisationstraining fingen wir an „Weltallisch“ miteinander zu sprechen. Diese Methode aus dem Lern-Erlebnis-Programm ‚Der Kleine Stern’® benutzt das Sprechen in Phonodie um eine Fantansiesprache zu entwickeln. Hier kam eine meiner Liebligsapps zum Einsatz. Wir nahmen unsere kurzen Fantasiewörter mit iMaschine auf und in kürzester Zeit hatten wir einen gemeinsam Groove. Das Eis war gebrochen. Es wurde gemeinsam gelacht und getanzt.
Gespräche von Mensch zu App
Mit der App TC-Performer imitierten wir nun auf dem iPad Sprachmelodie und Ausdruck. Es entstanden erste „Gespräche“ zwischen iPad und „Weltallisch“. Kleine Spielszenen, wie Begrüßung oder ärgerliche Reaktion wurden getestet und durchgespielt.
Unsere Kommunikationsexperimente wurden weitergeführt. Mit der App Patatap, die auf unsere Leinwand projiziert wurde, konnten Schattenbilder mit Sound und Bild interagieren lassen. Es war spannend festzustellen, wie beim Umgang mit dem iPad der Blick vom Bildschirm weg immer mehr auf das gesamte Geschehen wanderte. Das iPad wurde zum interaktiven Sprachrohr.
Tierisch lustig
Plötzlich entstand der Wunsch Tierstimmen mit iMaschine aufzunehmen. Sehr schnell war klar, die Tiercharaktere sind den Teilnehmer*innen wesentlich näher als geometrische Figuren. Spontan wurde ein neuer Song programmiert. Die Gruppe fing an zu klatschen, es wurde gelacht und getanzt. Die neue Idee für unser Abschlussprojekt war geboren: Wir machen ein Video zu unserem Song „Alle Tiere machen Musik“. Jetzt wurde gebastelt und getextet, denn die Zeit für die Umsetzung wurde knapp. Pünktlich zum Abschluss am 04.07.2016 hatten wir alles zusammen.
Fazit
Wir können miteinander kommunizieren, auch wenn uns manchmal die Worte fehlen. Diese Entdeckung haben Kinder und Eltern in unserer gemeinsamen Zeit machen können. Wir haben uns nicht nur kennengelernt, sondern auch wertschätzen gelernt. Durch die künstlerischen Mittel konnten wir ein wenig mehr als nur unser Alltagsgesicht zeigen. Wir haben viel Gefühl eingebracht und waren am Schluss alle stolz darauf. Schade, dass es jetzt vorbei ist.
Schreibe einen Kommentar