Appmusik trifft Musikschule: Mit MusikschulleiterInnen über Musikapps diskutieren
Passen Musikapps als Lehrmittel in den Unterricht an Musikschulen? Diese Frage beschäftigt ExpertInnen zwar noch nicht seit langer Zeit, wird dafür aber schon heute umso intensiver diskutiert.
In diesem Blogbeitrag möchte ich einige Erkenntnisse meines Workshops mit MusikschulleiterInnen des VdM zu diesem Thema vorstellen. Neben den intensiv diskutierten Chancen und Herausforderungen finde ich aber auch die noch offenen Fragen interessant, die zeigen, dass das Thema „Appmusik trifft Musikschule“ vielleicht noch in den Kinderschuhen steckt, uns aber noch viele packende Diskussionen bevorstehen.
Der Workshop…
Am 29.06.2017 war ich, Almut Voigt, in Rendsburg zur Tagung der MusikschulleiterInnen des Landesverbandes der Musikschulen in Schleswig-Holstein eingeladen. Grund dafür war ein dreistündiger Workshop zum Thema „Möglichkeiten und Praxisbeispiele von Musikapps in der Musikschule“, den ich in diesem Rahmen anbot.
Ziele des Workshops:
- Die TeilnehmerInnen bekommen einen Einblick in die Thematik Appmusik. Sie lernen im Vortrag verschiedene Praxen kennen, in denen unterschiedliche Zielgruppen mit Apps musizieren, als auch pädagogische Settings, in denen mit Musikapps gearbeitet wird.
- Die TeilnehmerInnen erhalten einen Überblick über Apps, die für den Musikunterricht in der Musikschule geeignet sind bzw. sein könnten. Dabei werden einzelne Apps anhand von Fallbeispielen vorgestellt.
- Die TeilnehmerInnen konfrontieren sich mit ihren Vorstellungen und Erfahrungen zu Apps und Appmusik. Sie äußern Chancen und Herausforderungen von Apps auf der Basis des Vortrags, in dem sie Beispiele kennengelernt haben, wie Musikapps pädagogisch und von professionellen MusikerInnen eingesetzt werden.
- Die TeilnehmerInnen setzen sich näher mit der Musiklernapp „Yousician“ auseinander. Sie verstehen, wie damit Musik gelernt wird und setzen sich kritisch mit der App auseinander.
- Die TeilnehmerInnen finden anhand von Handlungsfeldern, die den Musikschulalltag betreffen Probleme und Lösungen für den Einsatz von Musikapps im Musikschulunterricht.
In der Vorbereitung boten die Blogbeiträge von Matthias Krebs zum Thema Musikapps als Lernmedium in der Musikschule einen dienlichen Anhaltspunkt. Diese entstanden anlässlich des diesjährigen Musikschulkongresses des VdM in Stuttgart und eines Workshops des VdM für MusikschullehrerInnen in Wangen(Allgäu). Die Lektüre der Blockbeiträge will ich hiermit empfehlen. Sie können als Ergänzung für diesen Artikel dienen.
Ergebnisse/ Erkenntnisse:
Einer der ersten geäußerten Diskussionspunkte war die Frage: Wird Musikschule durch Musikapps abgelöst bzw. abgeschafft?
Ausgangspunkt dieser Frage war durchaus die von einigen MusikschulleiterInnen geäußerte Tatsache, dass die Zahlen an MusikschülerInnen an einigen Standorten sinken würden.
Vielfach werden Musiklernapps bzw. digitales Musiklernen mit z.B. Youtube oder Yousician als Konkurrenz zu Musikschulunterricht betrachtet. Bei genauerer Beobachtung fällt jedoch auf, dass digitale Technologien von allen am Musikschulunterricht beteiligten schon längst genutzt werden. Deshalb sollte die Frage nicht lauten, ob man sie einsetzt, sondern wie sie einbezogen werden können. Musikapps stellen also keine Bedrohung für den Musikunterricht dar. Ein Workshopteilnehmer drückte es aus wie folgt: „Nichts ist so beständig wie die Veränderung“. Schließlich sind digitale Technologien wesentlicher Teil der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und somit als Zugang nicht außer Acht zu lassen.
#keinekonkurrenz #lebensweltorientierung
„Nichts ist so beständig wie die Veränderung“ (Zitat Kursteilnehmer)
Eine wichtige Erkenntnis: Apps sind (nur) Werkzeuge für den Instrumentalunterricht
Die MusikschulleiterInnen sehen beim Thema Appmusik die Herausforderung, dass sich selbst mit der Thematik zu schlecht auskennen. Sie sehen sich einer Generation von „digital natives“ gegenüber, die sich mit der Technologie Smartphone angeblich besser auskennen würden.
Jedoch liegt die Herausforderung eher im Umgang mit der jeweiligen App im Unterricht. Denn Apps an sich sind, genau wie ein Notenblatt, nur ein Werkzeug und noch keine Lernumgebung. Fachlich kompetente und kreative Musikpädagoginnen sind also weiterhin gefragt die Apps im Unterricht so einzubinden, dass daraus ein Mehrwert entsteht. Der erste Schritt in diese Richtung wird also getan, wenn MusiklehrerInnen sich selbst den Unterricht durch digitale Technologien erleichtern.
Außerdem wurde in dieser Hinsicht der Ruf nach Profis und Praxisbeispielen laut. Erfahrene AppmusikerInnen und Unterrichtsbeispiele können natürlich eine Hilfe und Orientierung für den Einsatz von Apps in der Musikschule sein. Auch eine wissenschaftliche Begleitung und ein pädagogischer Diskurs scheint sinnvoll, um Smarttechnologien bereichernd in den Unterricht einbinden zu können.
#jedekannsmartphone #unterrichtserleichterung#praxisbeispiele #diskurs
Yousician – Faszination und Langeweile?
Beim Explorieren der App Yousician (iOS, Android) war vielen MusikschulleiterInnen der Spaß anzusehen. Um so erstaunlicher war, dass im Nachhinein die App als langweilig, fast schon stupide bewertet wurde (man müsse nur eine Taste drücken, wenn man eine bestimmte Farbe sehe usw.). Nachzuvollziehen, warum Menschen die App „Yousician“ zum Erlernen eines Instruments nutzen, fiel ihnen meiner Ansicht nach sehr schwer. Jedoch wird Yousician von Zehntausenden benutzt und deshalb ist es doch wesentlich, die Gründe für die Benutzung zu erkennen und zu überlegen, was man daraus für den Musikunterricht an Musikschulen gewinnen kann.
#autodidaktik
#diemassenerreichen
Weitere thematisierte Chancen und Probleme seht ihr auf den Fotos:
Offene Fragen:
Die MusikschulleiterInnen sehen eine Notwendigkeit, sich mit der Thematik der Einbeziehung von Musikapps im Musikschulunterricht auseinanderzusetzen. Während sich dieser Workshop sehr grundlegend und einführend mit der Thematik beschäftigt hat und über die Legitimation von Musikapps in der Pädagogik diskutiert wurde, scheinen mir Antworten auf folgende Fragen von Bedeutung:
Wie können Lehrer_innen Apps zum Musiklernen wie z.B. Yousician sinnvoll in ihren Unterricht einbinden?
Anstatt wage über die Legitimation einer App wie „Yousician“ zu streiten, sollte meiner Meinung nach lieber konkret erkundet werden, welchen Reiz die App auf Musiklernende ausübt. Welche Fähigkeiten werden durch die App erlernt? Wie kann ein Transfer auf das Instrumentalspiel gelingen? An welcher Stelle kann ich MusikschülerInnen diese App anbieten? Mit welchen Funktionen der App kann ich meinen Unterricht ergänzen? Dazu braucht es sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse, wie Musiklernen mit digitalen Technologien funktioniert, als auch die Expertise und Kreativität von MusiklehrerInnen, die Apps in ihren Unterricht einbeziehen
Was muss in verschiedenen Handlungsfeldern getan werden, damit Apps in den Unterricht einbezogen werden können?
Um Musikapps wirklich in den Musikschulalltag einbinden zu können braucht es nicht nur Überzeugungsarbeit, sondern einen Realitätscheck. In verschiedenen Handlungsfeldern der Musikschule, für deren Organisation die MusikschulleiterInnen verantwortlich sind, müssen Probleme erkannt und Lösungen gefunden werden. Handlungsfelder sind beispielsweise: Unterrichtsentwicklung, Weiterbildung, Infrastruktur, Inhalte und rechtliche Rahmenbedingungen.
Fazit:
Insgesamt war ich vor allem von der Offenheit der MusikschulleiterInnen, sich mit den neuen digitalisierten Lernmedien so intensiv zu beschäftigen, überrascht. Die Diskussionen waren sehr anregend und ließen dennoch auf keine eindeutige, allgemeine Antwort auf die Frage, wie sich Apps als Werkzeuge in den Unterricht integrieren lassen, schließen. Ich bin gespannt, wie sich das Thema weiterentwickelt und freue mich über Berichte von InstrumentalpädagogInnen, die Musikapps in ihrem Unterricht einsetzen.
Almut Voigt ist studierte Musikpädagogin und Musikerin. Mit ihrer Tätigkeit als freie Musikpädagogin liegt ihr Schwerpunkt bei digitalen Medien in der Musik- und Kunstpädagogik, derzeit in und um Leipzig/Sachsen.
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