Wie MacGyver mit dem iPad als schweizer Taschenmesser durch die „musikalische Grundschule“
Appschlussprojekt „musikalische Grundschule“
Wie klingt eigentlich eine „musikalische Grundschule“? Fünf Schüler_innen der Grundschule Lüne aus Lüneburg nahmen den Titel „musikalische Grundschule“ sehr wörtlich und versuchten ihre Grundschule mit Hilfe von Musik-Apps akustisch darzustellen.
Am Ende des Workshops sollten die Kinder unterschiedliche Musikapps bedienen können und mit ihnen auf mehreren iPads gemeinsam eine Performance mit unterschiedlichen Klangelementen aus ihrer Grundschule darbieten. Hierbei wurden Apps mit eigenen internen Sounds, sowie Apps mit denen Klänge selbst aufgezeichnet und bearbeitet werden, benutzt.
Wie klingt die musikalische Grundschule?
Bei der Überlegung die Grundschule akustisch darzustellen stellte ich zunächst mir und später den Kindern folgende Fragen:
- Mit welchen Geräuschen verbindet man die Grundschule?
- Wie klingen bestimmt Räume, Personen, Geräte, Situationen?
Das MacGyver-Prinzip
In meinen Jahren als Toningenieur im Tonstudio, in denen ich unter anderem Hörspiele und Computerspiele vertonte, hatte ich immer viel mehr Freude daran, Geräusche selbst zu erzeugen, anstatt sie mühselig aus Soundarchiven herauszusuchen.
Auch in meiner Arbeit als Percussionist kommt es häufig vor, dass ich Dinge zweckentfremde und als Percussioninstrumente in einen neuen Zusammenhang setze. Viele Schlagzeuger_innen berichten davon, dass Sie als Kind mit dem Trommeln auf Mamas Kochtöpfen angefangen hätten.
Das lässt sich letztlich mit dem zusammenfassen, was für MacGyver bereits in den 1980er Jahren galt:
„Everything I need is right in front of me.“
Alle Sounds und Geräusche sind immer schon vorhanden. Es müssen nicht immer Instrumente neu gekauft oder organisiert werden. Eine kreative Möglichkeit, um sich musikalisch auszudrücken, ist die Arbeit mit dem, was wir am jeweiligen Ort vorfinden.
Der Leiter der Grundschule Lüne, der selbst Musiklehrer ist, teilte mir mit, dass viele Grundschulen auf Grund von mangelndem Geld oder mangelndem Engagement schlecht mit Instrumenten ausgestattet sind.
Dieser Workshop soll die Teilnehmer und auch Musiklehrer, die dies lesen, dazu anregen, sich die Gegebenheiten anzusehen und Dinge in einen neuen Zusammenhang zu setzen und als Instrumente zu benutzen.
Nicht nur mit Hilfe von Musikapps lassen sich mit kreativem Denken tolle, innovative Musikbeiträge und diverse Unterrichtseinheiten mit Hilfe von Umgebungsgeräuschen gestalten.
Von der Idee zur Planung
Ein Freund von mir ist der Leiter der „musikalischen“ Grundschule Lüne und hatte sofort ein offenes Ohr, als ich mit meiner Projektidee auf ihn zu kam.
Das Zertifikat „musikalische Grundschule“ wird von der Bertelsmann Stiftung vergeben und die sich zum Ziel setzt „Schulen mit Musik positiv zu verändern.“ Seit 2014 ist die Grundschule Lüne Inhaber dieses Zertifikats, welches in einer zweijährigen Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahme erworben wurde.
Wer macht mit?
Im Vorfeld ermöglichte mir der Schulleiter in einer vierten Klasse für die Durchführung des Projekts zu werben. Ich führte während eines kurzen, fünfminütigen Klassenbesuchs die App „MadPad“ den Schüler_innen vor, die sich sofort für die Arbeit mit Tablets und Apps interessiert zeigten. Ich verteilte Anmeldezettel für die Eltern zum Unterschreiben an die Schüler. Auf diesen Zetteln stellte ich mich vor, beschrieb mein Projekt, teilte den Eltern die Termine mit und informierte die Eltern darüber, dass die Bild- und Tonaufnahmen für die Online-Veröffentlichung auf dieser Homepage benutzt werden.
Ich plante mit einer Gruppengröße von acht Personen und beschloss das Projekt nur in einer Schulklasse vorzustellen, um anschließend nicht zu viele Schüler enttäuschen und ihnen absagen zu müssen.
Nach einer Woche Wartezeit meldeten sich „nur“ fünf Jungen im Alter von neun bis zehn Jahren für den Appmusikworkshop an. Etwas weniger, als ich erhofft hatte, jedoch genügend Personen, um dieses Projekt durchzuführen.
Hinweis: Da nur Jungen an dieser Veranstaltung teilgenommen haben, werde ich auf den Zusatz Schüler_innen, bzw. Teilnehmer_innen, etc. in den folgenden Zeilen verzichten.
Wann geht’s los?
Als Termine setzte ich drei aufeinanderfolgende Tage (vom 06. – 08.06.2016) jeweils von 14:00 bis 16:00 Uhr fest. Zu diesem Zeitpunkt ist es drei Wochen vor den in Sommerferien in Niedersachsen. Dies schien mir deshalb am besten geeignet, da bereits alle Klassenarbeiten geschrieben und die Kinder nicht mehr so stark mit Schulstress belastet sind.
Wo muss ich hin?
Als Raum durfte ich die Schulaula benutzen, in der ich die Bühne mit komplett ausgestatteter Beschallungsanlage vorfand. Für die Schüler hatte ich insgesamt vier iPads, sowie Kopfhörer für jeden dabei. Mit Hilfe eines eigenen Mischpults und genügend Audiokabeln schloss ich alle iPads an die Schulbeschallungsanlage an.
Woher so viele iPads bekommen?
Gleich mehrere Schulen in meiner Umgebung haben sich in den letzten Monaten iPads zugelegt. Mit Hilfe des Schulleiters der Grundschule Lüne nahm ich Kontakt zu einer dieser Grundschulen, die im Besitz von iPads sind auf. Das Ausleihen der iPads, sowie die Kommunikation mit der zuständigen Person, verlief unkompliziert.
Tag 1
Beginn und Vorstellung der ersten App
Nach der Begrüßung und Vorstellung des Projekts stellte ich den Kindern die App „MadPad“ vor. MadPad ist hervorragend dafür geeignet, spielerisch kurze Sounds und Videos aufzunehmen und diese wieder abzuspielen. Damit lassen sich schnell mögliche Klangideen einfangen.
Mit einem Druck auf den Aufnahme-Button, wird die Kamera und das Mikrofon im iPad aktiviert. Sobald ein Geräusch erzeugt wird, wird es automatisch aufgenommen und auf den richtigen Startpunkt zugeschnitten. Auf der MadPad-Oberfläche ist ein Raster von 4×3 Feldern vorgegeben, die alle mit einem Sound, bzw. einem Video belegt werden können. Per Druck auf eines der Felder wird das zuvor aufgezeichnete Video abgespielt.
MacGyver untersucht seine Umgebung
Ich bat die Schüler sich in Zweiergruppen aufzuteilen. Zu zweit mit einem iPad sollten die Kinder durch die Schule gehen und unterschiedliche Sounds suchen. Ich gab ihnen 20 Minuten Zeit alle 12 Felder der MadPad-Oberfläche auszufüllen.
Anfangs musste ich bei beiden Gruppen die Empfindlichkeit der Aufnahmefunktion justieren, damit die App nicht zu empfindlich auf ungewollte Nebengeräusche reagiert. Nach wenigen Versuchen hatten sich die Kinder an die Arbeitsweise gewöhnt und konnten souverän die App bedienen.
Genaues Hinhören war gefordert
Damit nicht alle Sounds ähnlich klingen und um weitere Denkansätze anzuregen, schlug ich zwischendurch vor, Sounds mit unterschiedlichen Klangeigenschaften zu suchen.
Schon während der Suchphase experimentierten die Teilnehmer mit den aufgenommenen Klängen und probierten erste eigene Beats aus.
Kinder einfangen
Die Kinder bewegten sich alleine und konzentriert durch die Schule, jedoch ließ die Arbeit mit den iPads die Kinder ein wenig die Zeit vergessen und ich forderte beide Gruppen dazu auf, wieder in die Schulaula zurückzukehren.
Erste Ergebnisse
Wieder in der Großgruppe zusammengekommen, stellten beide Gruppen sich gegenseitig ihre gesuchten Sounds vor, kommentierten diese und waren fasziniert von den Ideen der jeweils anderen Gruppe.
Im nächsten Schritt stellte ich den Schülern die „pitch“- und „volume“- Funktionen vor, die es ermöglichten, die einzelnen Soundfelder hoch oder runter zu stimmen, bzw. die Geräusche in der Lautstärke anzugleichen.
Ich gab den Kindern zehn Minuten lang die Möglichkeit ihre Sounds weiter zu bearbeiten. Etwas weniger als eine Minute pro Sound sollten ausreichen, um alle zwölf Sounds auf dem iPad zu bearbeiten.
Nachdem die Schüler ihre Sounds nach ihren Bedürfnissen fertig bearbeitet hatten, forderte ich sie nun auf, zum ersten Mal gemeinsam mit beiden iPads zu musizieren und zu improvisieren:
Was ist wichtig in einer Band bzw. einem Musikensemble?
Ich stellte in der Gruppe zur Diskussion woraus eine Band besteht, welche Instrumente in einer „normalen“ Band vorhanden sind und was für Funktionen diese haben. Dazu forderte ich die Schüler auf, die iPads in den Standby zu schalten und auf dem Tisch abzulegen, um deren volle Aufmerksamkeit zu erhalten.
Im Musikunterricht in der Grundschule Lüne wird frühzeitig im Bandkontext musiziert. Es stellte sich heraus, dass die Kinder genau wissen wie eine Band funktioniert und welche Funktionen die einzelnen Instrumente in einer Band übernehmen.
Schnell konnte ich Tendenzen bei den Teilnehmern erkennen, welches Instrument, bzw. Funktion jeder einzelne in der Band für wichtig erachtet.
Apps für unterschiedliche Bedürfnisse finden
Anhand der Tendenzen, die ich bei den Schülern erkennen konnte, suchte ich individuell eine passende App für jeden heraus, um für den Rest des Tages mit diesen weiterzuarbeiten.
Bei der Planung des Workshops nahm ich mir vor, nicht die Apps genau vorzugeben, sondern nach den Interessen der Kinder die Apps auszuwählen.
Da ich wusste, dass die Schüler bereits über Banderfahrung im Schulmusikunterricht verfügen, entschied ich mich dafür, Apps zu benutzen, die einzelne Bandelemente wie z.B. Percussion-, Flächen-, Melodiesounds, etc. bedienen. Diese Beschränkung war mir sehr wichtig, da Apps, die bereits ein komplettes Arrangement abspielen und alle Instrumente darstellen ein zu großes Durcheinander erzeugen würden, wenn mehrere Kinder damit spielen. Weiterhin wäre es schwierig den Kindern zu erklären, dass sie nur einen kleinen Teil einer dieser komplexen Apps benutzen dürfen.
Somit ergab sich am Ende des ersten Tages folgende App-Auswahl:
Die App DM1 ist ein Stepsequenzer-Drumcomputer, mit dem sich Rhythmusloops erstellen lassen. Jedes Instrument am Schlagzeug, wie z.B. Snare Drum, Bass Drum, Hi-Hat, Becken, etc. lässt sich auf maximal sechzehn Sechzehntelpositionen in einen Drumloop einbauen.
Neben den internen Schlagzeugsounds kann DM1 auch eigene Klänge aufzeichnen, um entweder das eigene Drumset, oder Alltagsgeräusche aufzunehmen und zu einem Rhythmusloop zusammenzusetzen.
Die App Borderlands Granular ist ein Granular Synthesizer. Ein aufgenommenes Geräusch wird in kleine „körnige“ Abschnitte zerteilt und abgespielt und erzeugt somit aus dem Urgeräusch eine neue Klangfarbe. Sie bietet den Schülern eine weitere interessante Möglichkeit Schulgeräusche aufzunehmen und ganz anders zu hören.
Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende
In den letzten 20 Minuten des ersten Tages ließ ich die Kinder mit ihren zugewiesenen Apps experimentieren. Ich zeigte ihnen die Funktionsweisen der Apps um interne Sounds abzuspielen, sowie die jeweilige Recordingfunktion zum aufzeichnen eigener Sounds.
Die Schüler begannen damit, in Borderlands Klavier- und Tubatöne aufzuzeichnen, sowie in DM1 das Schulschlagzeug aufzunehmen und Beats auszuprobieren.
Erkenntnisse nach dem ersten Tag
Das iPads als Musikinstrument
Anfangs war der Gedanke für die Schüler ungewohnt, Musik ohne „richtige“ Instrumente zu machen. Nach dem ersten Tag akzeptieren sie das iPad als eigenständiges Musikinstrument. Das iPad kann den Rhythmuspart anstelle eines „richtigen“ Schlagzeugs komplett übernehmen und muss – wie jedes andere Instrument auch – geübt werden. Obwohl sie gerne die konventionellen Instrumente mit einbinden würden – auch um zwischendurch ein bisschen „Krach“ zu machen – beschränke ich die musikalischen Aktivitäten auf das iPad.
Einerseits um den Bandgedanken auf die iPads zu übertragen, andererseits auch, um die leise Arbeitsatmosphäre, die ein iPad mit Kopfhörer bietet, nicht zu zerstören und weiterhin konzentriert arbeiten zu können. Beim nächsten Appprojekt, das ich ohne Instrumente plane, werde ich wenn möglich einen Raum wählen, in denen keine Instrumente stehen, von denen die Teilnehmer_innen sich ablenken lassen könnten.
Den gewohnten Denkmustern entfliehen
Mein Vergleich mit den Instrumenten einer Band führte anfangs dazu, dass die Kinder versuchten mit MadPad die konventionellen Instrumente aufzuzeichnen. Es erforderte ein paar von mir vorgesagte Ideen und ein paar Denkanstöße damit die Kinder versuchten auch andere Geräusche auszuprobieren.
Ich hatte mir vorgestellt, dass das MacGyver-Prinzip leichter auf die Kinder zu übertragen sei.
Lange durchhalten
Eine 120-minütige Einheit ist zu lang für die Kinder. Ich merkte deutlich, dass die Kinder nach spätestens zwei Schulstunden, also 90 Minuten eine längere Pause benötigten. In der letzten halben Stunde des ersten Tages war es schwer die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen und sie an einem Platz zu halten. Für die zweite Sitzung nahm ich mir vor, zwischendurch eine größere Pause von 20 Minuten einzulegen.
Fazit Tag 1
Insgesamt bin ich mit dem Verlauf des ersten Tages sehr zufrieden. In meine Planung hatte ich zwar noch mehr Details integriert, die ich mit den Kindern besprechen und durchführen wollte. Bei der Betreuung und der Arbeit mit den Kindern habe ich meinen Detailplan ein wenig aus den Augen verloren, jedoch aus dem Kopf den Workshop weiter durchgeführt und situationsweise meine Planung angepasst.
Tag 2
Komplikationen
Im Gegensatz zu Tag 1 begann der zweite Tag mit einigen Komplikationen, die sich aber zum Glück alle beheben ließen:
Ein Junge, welcher am zweiten Tag dazu stieß, hatte vergessen den unterschriebenen Bestätigungszettel von zu Hause mitzubringen, um an meiner Veranstaltung teilnehmen zu dürfen. Der Leiter der Nachmittagsbetreuung durfte deshalb das Kind nicht bei mir teilnehmen lassen, was zu einigen Tränen führte. Durch einen Anruf bei der Mutter konnte die Situation jedoch geklärt und alle glücklich gestellt werden.
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt ….
Es stellte sich weiter heraus, dass drei von fünf Kindern am dritten Tag nicht weiter am Appprojekt teilnehmen konnten. Zwar wären sie für den Anfang der Stunde da gewesen, hätten aber bereits nach 45 Minuten das Projekt wegen eines Termins wieder verlassen müssen.
Um der gesamten Gruppe einen Abschluss des Projektes zu ermöglichen, verwarf ich meinen Plan zugunsten eines kürzeren, aber runden Projektes und verkürzte das Appprojekt auf zwei Tage.
Auf dem Weg zur Appschlussperformance
Mit dem Hintergedanken, in zwei Stunden ein gemeinsames Musikergebnis zu erzielen, leitete ich den zweiten Workshopnachmittag ein.
Ich regte an, die „musikalische Grundschule“ in drei unterschiedlichen Klangwelten darzustellen. Zusammen überlegten die Schüler sich drei Orte in der Schule, in die sie sich klanglich hineinversetzen sollten. Ich fragte die Kinder, was sie als erstes sehen, wenn sie in die Schule kommen und wo sie am meisten Zeit in der Schule verbringen. Die Kinder entschieden sich daraufhin für die Örtlichkeiten: Schuleingang, Klassenraum und Pausenhof.
Ich verteilte die Technik und dieses Mal bekam jedes Kind ein eigenes iPad. Lediglich der Junge, der an diesem Tag dazukam arbeitete mit einem Jungen vom Vortag zusammen, so dass vier iPads an die Schüler verteilt wurden.
Alle wollen das Gleiche
Alle Schüler waren so begeistert von den Ergebnissen, die ein Junge mit dem Drumcomputer DM1 erstellt hatte, dass plötzlich alle nur noch mit dem DM1 arbeiten wollten. Mit dem Hinweis auf die Banddiskussion vom Vortag und darauf, dass das gemeinsame Musizieren zu große Herausforderungen birgt, wenn alle das Gleiche Instrument spielen, konnte ich die Kinder dazu motivieren, doch noch die anderen geplanten Apps Borderlands und MadPad zu verwenden.
Auxy – Eine gelungene Alternative zu DM1
Als Alternative für DM1 nutzte ein Junge die App Auxy, mit der er ähnlich wie bei DM1 eine 16tel Raster Stepsequenzeroberfläche bedienen konnte. Neben einer Oberfläche für Schlagzeugsounds bietet Auxy drei weitere Spalten, in denen der Schüler eine Bassstimme und zwei Leadstimmen programmieren konnte. Im Gegensatz zu den anderen Apps benutzt Auxy nur eigene interne Sounds und es lassen sich keine eigenen Klänge aufzeichnen. Als Leadstimmen ließen sich unterschiedliche elektronische Keyboardsounds einstellen. Für den Bass wurden ebenfalls unterschiedliche synthetische Bassklangarten angeboten. Der Schüler gab sich beim Ausprobieren mit den ursprünglich eingestellten Sounds zufrieden.
Ich bat den Jungen in Auxy auf die erste Spalte, die die Schlagzeugsounds abspielt, zu verzichten, da die Schlagzeugsounds der Junge mit dem DM1 übernimmt.
Im Hinblick auf den Abschluss des Projekts wählte ich Auxy aus, da es schnell zu bedienen ist und eigene Klänge mitbringt, die einen Musikanteil mit in die Performance bringt.
Zwischen intensivem Arbeiten und gegenseitigem Ablenken
Die Kinder arbeiteten intensiv mit ihren eigenen Apps, tüftelten herum und spielten sich gegenseitig ihre Ergebnisse vor. Da alle mit ihren iPads an einem Tisch saßen, kam es vor, dass sie sich gegenseitig auf die iPads tippten und sich bei der Arbeit unterbrachen. Dadurch entstand teilweise eine große Unruhe. An dieser Stelle beschloss ich, die geplante Pause zu machen.
Jedoch war keines der Kinder mit der Pause einverstanden. Alle wollten unbedingt mit den iPads weiter Musik machen und ich ließ mich dazu überreden, die Pause ausfallen zu lassen.
Detailarbeit und Zusammenführen der Apps
Nach und nach versuchte ich mit individuellen Ratschlägen und Kompromissvorschlägen die Einzelapps zusammenzuführen. Bei der Synchronisation von DM1 mit Auxy stellte sich heraus, dass Auxy kein AbletonLink, welches dazu gedacht ist mehrere Musikapps im Timing zu synchronisieren, unterstützt. Bei der Wahl von Auxy als Kompromissapp zum DM1 war mir dies nicht bewusst. Somit musste bei beiden Apps das gleiche Tempo eingestellt und Auxy von Hand im Tempo gestartet werden.
Das bedarf einer enormen Konzentration auf einen gemeinsamen Einsatz und ein bisschen Glück, damit beide Apps synchron laufen.
Die Band bekommt ein Publikum
Für die Schüler unerwartet, aber von mir geplant, besuchten der Schulleiter und eine Lehrerin das Appmusikprojekt. Somit konnte die Vorführung vor einem kleinen Publikum stattfinden. Dies fand ich deshalb wichtig, weil das Erarbeiten eines Vortrags mit iPads genau so geübt werden muss, wie ein Vortrag vor Publikum mit Instrumenten. Um die Atmosphäre eines Bandauftritts zu erzeugen verabredete ich mit dem Schulleiter, dass dieser mit einer Kollegin hinzu kommt.
Wie soll’s ablaufen?
Gemeinsam besprachen die Schüler und ich einen groben Ablauf der Performance. Auch an dieser Stelle zeigten die Kinder viel vorhandenes Wissen und machten Vorschläge, als es um die Themen Songaufbau und Spannungsbogen ging. Mit Hilfe von Handzeichen versuchte ich das Musizieren, wie in der gemeinsamen Absprache geplant, zu „dirigieren“, indem ich den einzelnen Appmusikern ihren Einsatz unterschiedlichen Soundpassagen ankündigte. Alle weiteren Elemente innerhalb der Performance wurden von den Schülern improvisiert.
Feedback der Kinder (Auszüge)
Mich hat überrascht:
„Es sieht irgendwie so schwer aus, aber dabei ist es ganz einfach.“
„Obwohl man so wenig macht, kann man coole Beats machen.“
„Ich fand’s geil“
Die Schüler konnten jeder einzeln mit seinem iPad innerhalb kürzester Zeit tolle Klangergebnisse erzielen.
Mir hat nicht gefallen:
„… dass es nicht so ordentlich war.“
„… dass es so durcheinander war.“
„… dass manche Sounds nicht gepasst und gestört haben.“
„Mir hat eigentlich alles gefallen, nur nicht dass es manchmal so durcheinander war.“
Trotz aller Einfachheit und der klanglichen Leistung der Einzelapps haben die Teilnehmer verstanden, dass trotzdem eine Gewisse Ordnung und Absprache bzw. eine Art „Bandprobe“ stattfinden muss.
Wie schätzt du die Leistung der Gruppe ein?
„Auf einer Skala von 1 bis 10 war es eine 6.“
Diese Meinung haben alle Teilnehmer bestätigt, was ich für eine tolle und ehrliche Bewertung halte.
Was hätten wir musikalisch noch besser machen können?
„Man müsste die einzelnen Passagen noch ein bisschen ordnen, dass nicht jeder alles spielt.“
Nicht nur im Zusammenspiel müssen die einzelnen Passagen geordnet und angepasst werden. Auch jeder auf seinem eigenen iPad sollte weniger spielen oder weniger komplexe Klangkonstruktionen erzeugen und sich eher zurücknehmen, als zu versuchen möglichst viel Sound abzuspielen.
Starke Reflexionsfähigkeit
Dadurch, dass Apps auch alleine weiterspielen, ohne sie ständig bedienen zu müssen, hatten die Kinder auch Gelegenheit ihre eigene App einfach „laufen“ zu lassen und der Performance zwischenzeitlich zuzuhören. Ebenso hatten wir die gesamte Performance auf einem iPad festgehalten. Diese Tatsachen begünstigten, dass die Kinder ihre Performance so gut reflektieren konnten.
Noch ein Mal?
Nach dieser eigenen Einschätzung fragte ich die Gruppe, ob sie einen weiteren Durchgang unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse spielen wollen, jedoch entschieden sich alle Schüler dagegen. Im Vergleich zu Tag 1 war mein Hauptziel nicht das ästhetische Arbeiten mit den Schülern an den Apps, sondern lag durch die angepasste Tagesplanung darin, irgendwie eine Performance auf die Beine zu stellen. Die Kinder spürten, dass ich nicht authentisch war und unbedingt diese Performance durchboxen wollte, so dass sie letztendlich die Lust an der Sache verloren.
Zusätzlich machte sich hier wieder die Länge der Veranstaltung und die weggelassene Pause bemerkbar. Bis zum Ende der Veranstaltung waren noch zwanzig Minuten Zeit, genau der Zeitraum, den ich ursprünglich für die Pause eingeplant hatte. Bis zum Ende ließ ich die Schüler das iPad und die Apps erkunden.
Musikalisches Ergebnis
Das musikalische Endergebnis ist, wenn man die Zeit und die Umstände des zweiten Tages betrachtet, akzeptabel. Ich hätte gerne ein musikalisches Ergebnis präsentiert, das noch charakteristischere Schulklänge darstellt. Ebenso hätte ich mir gewünscht, dass die Performance insgesamt durchsichtiger für die Zuhörer_innen wäre. Bisher ist es eine Aneinanderreihung von Sounds und weniger eine durchdachte und geprobte Vorführung.
Erkenntnisse nach dem zweiten Tag
Hervorragende Zusammenarbeit
Jedes Kind, unabhängig von der Leistungsstärke, hat sich nach meiner Beobachtung gleichberechtigt in die Sache eingebracht. Auch Schüler, die sich normalerweise auf dem Schulhof nicht so gut verstehen, was ich im Nachhinein vom Schulleiter erfuhr, haben an diesem Appprojekt erfolgreich zusammengearbeitet. Somit hat das Arbeiten in diesem Musikprojekt dazu beigetragen die Teilhabe und Gleichberechtigung auszuprägen.
Kinder zu ihrem Glück zwingen?
Wie auch am ersten Tag machte sich beim zweiten Treffen nach ca. 90 Minuten steigende Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten bei den Schülern bemerkbar. Zwar hatte ich mir vorgenommen eine Pause einzulegen, habe mich aber von den Schülern überreden lassen, darauf zu verzichten. Zukünftig werde ich entweder die Kinder zu einer Pause „zwingen“ oder von vornherein eine kürzere Veranstaltungsdauer planen.
Machen lassen oder vorkauen?
Ich merkte auch an diesem Tag deutlich, dass die Kinder es aus dem Schulsetting gewohnt sind, Aufgaben und Rahmenbedingungen von einer Lehrerperson genau „vorgekaut“ zu bekommen. Andererseits arbeiteten die Kinder sehr frei und versuchten deutlich ihre Ideen und Interessen umzusetzen.
Wie finde das richtige Maß dafür einerseits die Kinder frei agieren und mitentscheiden zu lassen, andererseits aber auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten und unter Kompromissen eine Lösung für alle zu finden?
Einerseits ist es für mich schwierig mich selbst zu bewerten, wie gut oder schlecht mir dies gelungen ist. Andererseits belegen die positiven Rückmeldungen der Kinder, dass die Veranstaltung im Großen und Ganzen erfolgreich abgelaufen ist.
Anregungen?
„Wie finde das richtige Maß dafür einerseits die Kinder frei agieren und mitentscheiden zu lassen, andererseits aber auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten und unter Kompromissen eine Lösung für alle zu finden?“
Gerne stelle ich diese Frage noch mal in den Raum und freue mich auf Anregungen von euch!
Stefan Hagen ist Schlagzeuger, Schlagzeuglehrer, Dirigent und Leiter mehrerer Musikensembles und Trommelgruppen. Weiterhin bietet Orchester- und Percussionworkshops, sowie Team- und Eventtrommelworkshops an.
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